Liga-Boss Claudius Schäfer fordert harte Strafen
«Wer Pyros auf Menschen wirft, soll mit Gefängnis rechnen müssen»

Liga-Chef Claudius Schäfer fordert nach den Pyro-Würfen von Winterthur härtere Strafen für Fussball-Chaoten. Und sagt, warum er andere Massnahmen weiterhin ablehnt.
Publiziert: 03.05.2024 um 20:11 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2024 um 12:37 Uhr
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Emanuel GisiSportchef

Blick: Claudius Schäfer, nach dem Fackelwurf am vergangenen Wochenende in Winterthur treffen Servette und Winti am Samstag schon wieder aufeinander. Befürchten Sie weitere Ausschreitungen?
Die Erfahrung zeigt, dass sich Chaoten wie die, die in Winterthur randaliert haben, bei den nächsten Spielen zurückziehen. Aus Angst, identifiziert zu werden. Ich gehe darum davon aus, dass das Spiel in einem friedlichen Rahmen stattfindet. Aber ich besitze keine Glaskugel. Ich weiss es nicht.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie Bilder wie diese vom Sonntag in Winterthur sehen?
Sie machen mich wütend. Die zwei Chaoten, die Pyros in eine Menschenmenge werfen, sind unbelehrbar. Sie gehören hart bestraft.

Claudius Schäfer

Der Berner Anwalt Claudius Schäfer (53) arbeitet seit 2006 für die Swiss Football League, erst als Chef der Rechtsabteilung und seit 2012 als CEO. Er ist Mitglied des Vorstandes der European Leagues, sitzt auch in Kommissionen der FIFA und der UEFA und ist im Zentralvorstand des Schweizer Fussball-Verbandes. Schäfer ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Der Berner Anwalt Claudius Schäfer (53) arbeitet seit 2006 für die Swiss Football League, erst als Chef der Rechtsabteilung und seit 2012 als CEO. Er ist Mitglied des Vorstandes der European Leagues, sitzt auch in Kommissionen der FIFA und der UEFA und ist im Zentralvorstand des Schweizer Fussball-Verbandes. Schäfer ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

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Vergangenen Wochenende sorgten Servette-Chaoten in Winterthur für den Fackelwurf-Eklat.
Foto: foto-net / Kurt Schorrer
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Kürzlich stand ein FCZ-Fan, der beim Zürcher Derby 2021 eine Fackel in die GC-Kurve warf, vor Gericht. Das Urteil: 17 Monate bedingt, dazu eine Busse von 200 Franken plus Verfahrenskosten von mehr als 3000 Franken. Ist das hart genug?
Nein. Wir sprechen uns ganz klar für Prävention und Dialog aus. Aber in einem solchen Fall braucht es repressive Massnahmen gegen Chaoten. Das haben wir immer schon gesagt, wir sind uns auch im Klaren, dass das wahnsinnig schwierig ist. Ein wichtiger Teil der Einzeltäterverfolgung, die wir weiterhin fordern, ist die Bestrafung. Und die muss richtig wehtun. Wenn jemand eine Fackel auf Menschen wirft, ist das eine Gefährdung des Lebens.

Der Fackelwerfer von Zürich wurde aber wegen versuchter schwerer Körperverletzung schuldig gesprochen.
Das ist vom Prinzip her richtig. Aber er hat nur eine bedingte Freiheitsstrafe bekommen. Wir sind aber der Meinung, dass das nicht reicht. Wer Pyros auf Menschen wirft, soll mit Gefängnis rechnen müssen. Wir wollen härtere Strafen für die, die offenkundig nicht belehrbar sind. Dort müssen wir ansetzen.

Was tun Sie dafür?
Wir sind weiterhin im Gespräch mit der Konferenz der Kantonalen Polizei- und Justizdirektoren (KKJPD). Als wir das Thema dort angesprochen haben, haben wir Offenheit gegenüber unserem Anliegen gespürt. Ich gehe davon aus, dass es dafür eine Revision des Strafgesetzbuches braucht. Wir brauchen die Hilfe der KKJPD, um das auf Bundesebene aufs Tapet zu bringen.

Mit der KKJPD haben Sie sich zuletzt öffentlich gestritten. Das Kaskadenmodell wird nun gegen den Willen der Liga und der Klubs trotzdem eingeführt. Jetzt machen Sie wieder gemeinsame Sache?
Es reden alle über das Kaskadenmodell, wo wir uns nicht einig sind. Gleichzeitig haben wir aber andere Projekte vorangetrieben, die gemeinsam entwickelt wurden, wie die Stadionallianzen oder bei den Fanzügen, wo wir uns künftig deutlich stärker finanziell beteiligen. Wir wollen etwas beitragen, solange es nicht für die Galerie ist.

Das Kaskadenmodell ist für die Galerie?
Ich halte mich an die Betrachtungsweise der Wissenschaft. Sektorsperrungen haben erwiesenermassen keine Wirkung auf Fangewalt. Sie führen nur zu Ausweichbewegungen und zur Solidarisierung von gemässigten Fans mit Chaoten. Ich habe einmal eine verantwortliche Person der kantonalen Behörden gefragt, was sie sich vom Kaskadenmodell erwarten. Die Antwort darauf: «Wir müssen etwas tun.»

Aber Sie haben auch keine bessere Lösung.
Wenn man die Lösung gefunden hätte, würde man sie schon lange anwenden. Wenn man sagt, das Gewaltproblem an sich könne mit solchen Massnahmen gelöst werden, lügt man sich in die Tasche. Gewalt ist Teil unserer Gesellschaft. Das wird auch ein Kaskadenmodell nicht ändern. Als Mitglied im Verband der Europäischen Ligen bin ich viel im Austausch mit Kollegen im Ausland. Die wirksamste Massnahme unserer Meinung nach: harte Meldeauflagen gegen gewalttätige Personen, wie sie in England umgesetzt werden.

Für Meldeauflagen muss man aber Täter erst identifizieren und fassen. Das ist in der Schweiz schwierig. Die Polizei sagt, ihr fehlten dafür die Mittel.
Diese Aussage kann ich nachvollziehen. Wir haben ein grosses Interesse, dass Leute, die sich kriminell verhalten, nicht bei uns im Stadion sind. Darum setzen wir uns dafür ein, die Polizei bei der Identifizierung der Täter zu stärken.

Das heisst konkret: mehr Geld. Wer soll das bezahlen?
Das ist eine Aufgabe des Staates. Was mich stört, ist, dass man im Moment nur die negativen Begleiterscheinungen des Fussballs sieht. Man vergisst die positiven: Dem Fussball wird im Moment die Bude eingerannt von Kindern, man hat nicht genügend Infrastruktur, um alle zu betreuen. Der Fussball ist eine Integrationsmaschine. Der allergrösste Teil der Wirkung des Fussballs ist positiv. Der Fussball trägt viel zu einer besseren Gesellschaft bei. Das vergisst man im Moment, scheint mir.

Sie haben keine Angst, dass Ihnen die Zuschauer davonlaufen?
Wir haben letzte Saison einen neuen Zuschauerrekord aufgestellt in der Super League und dieses Jahr im Schnitt immer noch über 11’000 Fans pro Spiel, obwohl wir ein paar kleine Klubs mehr in der Liga haben. In 98 Prozent der Spiele in der Schweiz bleibt es friedlich. In Winterthur ist etwas passiert, das mich extrem wütend macht. Ein Stadionbesuch ist deswegen nicht gefährlich. Es gibt auch sonst in der Gesellschaft leider Menschen, die andere gefährden, zum Beispiel Raser im Strassenverkehr. Eine gewaltfreie Gesellschaft ist eine Illusion.

Letzte Frage: Die KKJPD will personalisierte Tickets. Was halten Sie davon?
Auch da lügt man sich in die Tasche. Es geht doch gar nicht darum, dass sich dann alle registrieren müssen. Es geht um die Einlasskontrollen, die unverhältnismässig aufwendig werden, während es gleichzeitig nichts bringt. In der Türkei, in Polen, in Italien hat man personalisierte Tickets eingeführt. Die Gewalt ausserhalb der Stadien ist immer noch da.

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