Salt Bae salzt den Pokal und feiert wie ein Weltmeister
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Koch sorgt für Peinlich-Moment:Salt Bae salzt den Pokal und feiert wie ein Weltmeister

Salt Bae-Foto mit Messi
Für dieses Bild bezahlt ein Fifa-Mitarbeiter mit seiner Gesundheit und seinem Job

Ein Fifa-Mitarbeiter liess Salt Bae bei Messis WM-Feier in Katar versehentlich auf den Rasen. Daraufhin macht ihm der Weltfussballverband die Hölle heiss, der Deutsche erkrankt an einer Depression – und wird dann fristlos gekündigt.
Publiziert: 11.05.2024 um 18:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2024 um 19:13 Uhr

Die Bilder gingen um die Welt – und waren an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Lionel Messi (36) feiert gerade den grössten Triumph seiner Karriere, krönt sich in Katar mit seinen Argentiniern zum Weltmeister, als plötzlich der türkische Star-Koch Nusret Gökçe (40), genannt Salt Bae, auf dem Platz auftaucht. Er packt Messi am Arm, zerrt den sichtlich genervten Argentinier auf ein Foto.

Kurz darauf posiert er mit weiteren Weltmeistern, der Koch mit dem WM-Pokal lässt sich dabei ablichten, wie er in eine Goldmedaille beisst, feiert sich gross auf Instagram ab – und zieht damit den Zorn der Fans auf sich. Unzählige kritisieren den Star-Koch in den sozialen Medien. Grosse Frage da: Wer liess Nusret Gökçe überhaupt auf den Platz?

Salt Bae nutzt unaufmerksamen Gökay aus

Nun wird klar: Es war Ersan Gökay (39), ein in der Schweiz lebender Deutscher. Bei der WM 2022 und eben auch im Final ist er für die Betreuung geladener Fussball-Legenden zuständig. Dort ebenfalls mit dabei: Star-Koch Nusret Gökçe. Wie die Aargauer Zeitung berichtet, organisierte dieser am Abend vor dem Final ein Familienessen für die damalige Fifa-Generalsekrätarin Fatma Samoura im Luxuslokal Nusr-Et, bekommt im Gegenzug von Fifa-Präsident Infantino ein VIP-Final-Ticket geschenkt.

Das Bild ging um die Welt: Salt Bae zerrt Lionel Messi nach dessen WM-Sieg vor die Kamera.
Foto: Icon Sport via Getty Images
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Im Bereich, wo Gökay Reiche, Mächtige und Ex-Weltmeister betreut, ist so auch der Star-Koch zugegen. Kurz nach dem Schlusspfiff bittet Salt Bae Gökay, ihn zu den Spielern runterzubringen. Gökay lehnt ab – fehlende Berechtigung. Salt Bae entgegnet: «Hey, erinnerst du dich an gestern Abend? Ich habe dir geholfen, damit du den Wunsch der Generalsekretärin erfüllen konntest.» In Gökay wachsen die Zweifel – auch weil Salt Bae eng mit Gianni Infantino befreundet ist und sich dort beschweren könnte. Der Deutsche willigt ein. Bedingung: Spielertunnel. Nicht weiter.

Dort angekommen, lässt er Salt Bae einige Minuten unbeobachtet. Als er zurückkehrt, ist dieser verschwunden. Dass der Star-Koch ohne Akkreditierung an den Securitys vorbei aufs Spielfeld gelangt, ist unmöglich, denkt sich Gökay. Überrascht sieht er am Tag darauf die peinlichen Bilder und Videos. Er schildert der Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura den Fall in einem Mail, entschuldigt sich. Tags darauf gibts einen Anruf vom Bürochef des stellvertretenden Generalsekretärs, dieser beruhigt ihn, schickt ihn in die Ferien.

Bonus gekürzt, Auslandsreisen gestrichen

Nach seiner Rückkehr wird er zu einer Anhörung aufgeboten. Weil die Fifa-Führung – angeführt von Personalchefin Kimberly Morris – vermutet, Gökay hätte sich von Salt Bae bestechen lassen, wird eine Untersuchung eingeleitet.

Gökay sagt, er sei danach von den Fifa-Direktoren verwarnt worden, sein WM-Bonus um die Hälfte gekürzt, seine Auslandsreisen streng limitiert. Auch seine Reise an die Frauen-WM in Australien sei gestrichen worden – obwohl er als Finanzfachmann dort fix eingeplant gewesen wäre. «Kommt von ganz oben», soll es geheissen haben, als er bei seinem Chef nachfragt. Ein Statement der Fifa zu diesen Vorwürfen fehlt.

Erklärung von Infantino bleibt aus

Es ist der Beginn von Gökays Depressionen, wie er sagt. Während seine Kollegen sich an die Frauen-WM aufmachen, muss er in Zürich bleiben. Er hat zunehmend Mühe mit Schlafen, ist antriebslos, zieht sich zurück. Ein Arzt diagnostiziert Depressionen und Schlaflosigkeit, er bekommt Antidepressiva, Schlaftabletten und eine Behandlung einer Fachärztin. 

Gökay will bei Gianni Infantino vorstellig werden. Mit Hoffnung auf Begnadigung. Im Herbst 2023 begegnet er ihm im Lift, spricht ihn auf einen Termin an. Infantino lächelt, verweist auf sein Büro. «Wir melden uns bei ihnen», heisst es dort – eine Einladung für ein Gespräch gab es aber nie.

Fifa-Stellungnahme zur Entlassung

«Nach dem Finale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022 hat die FIFA-Verwaltung eine interne Untersuchung durchgeführt, um herauszufinden, wie sich eine Person nach der Abschlusszeremonie unbefugt Zugang zum Spielfeld verschafft hat. Das völlige Fehlen von Urteilsvermögen und gesundem Menschenverstand sowie ein völliges Missverständnis der Pflichten und Verantwortlichkeiten, die der betreffende Mitarbeiter während dieses Vorfalls an den Tag gelegt hat, wurde in einer E-Mail an Mitglieder des FIFA-Personals erneut deutlich. Die E-Mail enthält unbegründete sachliche Ungenauigkeiten und Anschuldigungen. Sie ist eine frustrierte Reaktion auf die unvermeidliche Entlassung eines Mitarbeiters wegen wiederholtem Fehlverhaltens. Die FIFA beantwortet keine Anfragen auf dieser Grundlage und kommentiert keine internen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten oder Streitigkeiten. Dennoch wünschen wir dem ehemaligen Mitarbeiter alles Gute für seine Zukunft und danken ihm für seine langjährige Tätigkeit.»

«Nach dem Finale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022 hat die FIFA-Verwaltung eine interne Untersuchung durchgeführt, um herauszufinden, wie sich eine Person nach der Abschlusszeremonie unbefugt Zugang zum Spielfeld verschafft hat. Das völlige Fehlen von Urteilsvermögen und gesundem Menschenverstand sowie ein völliges Missverständnis der Pflichten und Verantwortlichkeiten, die der betreffende Mitarbeiter während dieses Vorfalls an den Tag gelegt hat, wurde in einer E-Mail an Mitglieder des FIFA-Personals erneut deutlich. Die E-Mail enthält unbegründete sachliche Ungenauigkeiten und Anschuldigungen. Sie ist eine frustrierte Reaktion auf die unvermeidliche Entlassung eines Mitarbeiters wegen wiederholtem Fehlverhaltens. Die FIFA beantwortet keine Anfragen auf dieser Grundlage und kommentiert keine internen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten oder Streitigkeiten. Dennoch wünschen wir dem ehemaligen Mitarbeiter alles Gute für seine Zukunft und danken ihm für seine langjährige Tätigkeit.»

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Es nimmt ihm den letzten Antrieb, im November wird er krankgeschrieben. Drei Monate später bittet er einen Anwalt, einen Aufhebungsvertrag mit der Fifa auszuhandeln. Diese schlägt zurück, zweifelt Gökays Arbeitsunfähigkeit an – und kündigt ihm am 12. März gar. Während der Sperrfrist. Gökay schreibt ein Abschiedsmail, verschickt es an um die hundert Fifa-Mitarbeiter – zwei Tage später gibt es von der Personalchefin die fristlose Kündigung. 

Gökay zieht die Fifa vor Gericht

«Keine Frage, ich habe einen Fehler gemacht», sagt Gökay heute der Aargauer Zeitung. «Salt Bae hätte nicht auf dem Rasen stehen sollen. Aber hat dadurch jemand materiell oder physisch Schaden genommen? Nein. Einzig das Ego Infantinos hat vielleicht einen Kratzer bekommen. Klar, die ganze Welt hat meinen Fehler mitgekriegt. Aber bei der Fifa passieren im Verborgenen viel schlimmere Dinge, ohne dass der Fehlbare mit Konsequenzen rechnen muss», meint Gökay – und will die Fifa nun vor Gericht ziehen. Er will Gerechtigkeit. Er will, dass Praktiken, wie sie an ihm verübt worden sind, aufhören. (hon)

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