Mister Olympia! Lehmann in Paris auf Mission 2038
«Dann schaue ich mich nach einem Rollator um»

Urs Lehmann (55) ist von Olympischen Winterspielen 2038 in der Schweiz überzeugt. Blick traf ihn in Paris und wollte unter anderem wissen: Was würde das den Steuerzahler kosten?
Publiziert: 30.07.2024 um 21:32 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2024 um 09:37 Uhr

Blick: Paris ist die Stadt der Liebe. Lieben Sie diese Sommerspiele bislang, Urs Lehmann?
Urs Lehmann: Bis jetzt, auf jeden Fall. Ich war sechsmal an Winterspielen dabei. Nun erstmals bei Sommerspielen. Was ich extrem spannend finde, sind die Stadien und Arenen – man hat viele an ikonischen kulturellen Plätzen von Paris. Beachvolleyball unter dem Eiffelturm? Reiten auf dem Schlossgelände in Versailles? Das ist super inszeniert.

Einmal Bronze, mehr nicht: Die Schweizer Bilanz nach vier Tagen ist mager. Einverstanden?
Es hätten mehr Medaillen sein können. Ich würde sogar sagen, dass wir mehr hätten erwarten dürfen. Aber die Leistungen waren oft gut, auch wenn kein Edelmetall rausgeschaut hat.

Haben Sie in Paris Thomas Bach getroffen?
Ja.

Mister Olympia? Diesen Spitznamen hat Urs Lehmann bekommen. Er wehrt sich nicht dagegen. Bringt er die Winterspiele in die Schweiz?
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Und?
Er hat mich zu sich nach Lausanne eingeladen. Dann werden wir über die möglichen Winterspiele in der Schweiz reden, nicht jetzt.

Sie sind Co-Präsident des Projekts Switzerland 2038. Mögen Sie ihren Spitznamen Mister Olympia?
Ich kann mit ihm leben (lacht)! Gleichzeitig bin ich nicht alleine auf diesem Weg, sehr viele Menschen teilen meine Vision.

Politik und Verbände ganz sicher. Aber auch das Volk?
In verschiedenen Umfragen haben 60 bis 68 Prozent gesagt, sie wären dafür. 

Sie wollten die Spiele schon 2030 in der Schweiz haben. Nun stehen Sie für 2038 in einem «privilegierten Dialog» mit dem IOC. Was heisst das?
In der IT würde man sagen, dass es ein VPN-Tunnel ist. Also quasi eine geschützte Werkstatt. Bis Ende 2027 darf kein anderes Land mit dem IOC über die Winterspiele 2038 reden. Unser Projekt gefällt – es gibt einfach noch Hausaufgaben, die wir erledigen müssen. Wir Schweizer haben es aber in den eigenen Händen.

Dem IOC geht das dezentrale System der Schweiz zu weit. Haben wir zu viele Austragungsorte?
Grundsätzlich gefällt dem IOC das dezentrale Konzept. Und doch waren wir beim ersten Anlauf im Bereich Hockey und Ski Nordisch etwas zu dezentral. Das lässt sich aber anpassen.

Garantien sind auch ein Thema. Wie hart würden die Steuerzahler zur Kasse gebeten?
Grundsätzlich und weitestgehend würden die Spiele privat selbstfinanziert sein. Im Bereich der Paralympischen Spiele würde die öffentliche Hand stärker unterstützen. Etwas stört mich aber…

Was?
Die Olympischen Spiele in Milano/Cortina 2026 sind mit etwa zwei Milliarden Franken budgetiert. Aber von der Wertschöpfung für Italien sprich kaum jemand – dabei beträgt diese laut Studien c.a. 3,2 Milliarden. Jedes private Unternehmen würde bei so einem Business-Case jubeln.

Man kann Italien nicht mit der Schweiz vergleichen. Der Gigantismus des IOC ist bei uns vielen ein Dorn im Auge.
Wir müssen aufpassen, denn wir sind unter dem Eindruck von Paris. Sommerspiele wären viel zu gross für die Schweiz, wir könnten sie nicht stemmen. Winterspiele dagegen schon. Darf ich Ihnen ein Beispiel geben?

Gerne.
Das IOC hat uns in einem ersten Meeting alle bis 2030 anstehenden Weltmeisterschaften und Europameisterschaften, die die Schweiz ausgetragen hat, aufgezählt. Und gesagt: Ihr könnt das. Nun müsst ihr einfach alles gleichzeitig machen!

20’000 Zuschauer bei einem Skirennen in Crans-Montana würden also reichen?
Definitiv. Es werden nicht mehr Kapazitäten geschaffen, wo es keinen Sinn macht. Sotschi 2014 hat vielen die Augen geöffnet. Auch beim IOC wurden vielen klar: Grösser ist nicht immer besser.

Die Vergangenheit hat uns gelehrt: Gehts an die Urne, ist Olympia chancenlos. Werden die Spiele von 1948 in St. Moritz die Letzten bleiben?
Es braucht diesmal keine Volksabstimmung, weil die Winterspiele überall verteilt stattfinden würden, also in mehreren Kantonen.

Sie könnten das Referendum ergreifen.
Das ist möglich und gehört zu unserer direkten Demokratie. Wir würden uns einem Referendum stellen und gemeinsam Lösungen suchen.

Spätestens Ende 2027 wird entschieden, ob die Winterspiele in die Schweiz vergeben werden. Wie gut sind die Chancen?
Grösser als 50 Prozent. Ich bin überzeugt, dass wir die verbleibenden Hausaufgaben erledigen werden und hoffe, dass sich die Schweizer Bevölkerung für diese Spiele begeistern lassen wird.

Ein Eisschnelllauf-Stadion gibt es in der Schweiz nicht.
Den grossen Rest aber schon. Beim Eisschnelllaufen würden wir im nahen Ausland eine Lösung finden – wir bauen nicht extra für Olympia ein ganzes Stadion.

Nehmen wir an, die Spiele 2038 würden tatsächlich an die Schweiz vergeben. Sie wären dann 69 Jahre alt...
Ich habe in den Sitzungen hier in Paris schon gewitzelt, dass ich mich im Fall einer Zusage nach einem Rollator umschauen werde (lacht). Im Ernst: Eine Vergabe würde sehr freuen – für die ganze Schweiz.

Zurück nach Paris: Wie viele Medaillen holt die Schweiz noch?
Als Präsident von Swiss Ski wage ich nicht mal bei Winterspielen eine Prognose – also hüte ich mich davor, dies bei Sommerspielen zu tun!

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