CEO Carl Elsener kündigt neue Taschentools ohne Klingen an
Victorinox leidet unter Waffenregulierung

Carl Elsener (65) führt eine der ikonischsten Marken der Schweiz: Victorinox. Im Interview spricht er über seine Nachfolge, die möglichen Signa-Verluste und äussert sich zum Millionensalär von UBS-CEO Sergio Ermotti.
Publiziert: 06.05.2024 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2024 um 14:24 Uhr
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

In der Produktionshalle in Ibach SZ ist es laut und heiss, die Mitarbeitenden tragen Gehörschutz. Sie schleifen, ölen und härten Klinge um Klinge. 135'000 Messer verlassen jeden Tag die Fabrik. Neben den legendären Taschenmessern gehören dazu auch Küchen- und Berufsmesser. Victorinox zählt 2200 Mitarbeitende, davon 1200 in der Schweiz. Beim Personal herrscht eine Du-Kultur – nur den Patron Carl Elsener (65) sprechen alle mit Sie an.

Blick: Herr Elsener, wenn ich diesen Sommer nach Asien verreise, habe ich ein Victorinox-Taschenmesser im Gepäck. Wie haben Sie das geschafft?
Carl Elsener:
Unser Taschenmesser gibt den Menschen Sicherheit. Wer es dabei hat, ist immer bestens vorbereitet für alltägliche Herausforderungen. Wir haben bisher 500 Millionen Taschenmesser produziert und in die ganze Welt verkauft. Es gibt Geschichten, wie das kleine rote Taschenmesser aus der Schweiz am Nordpol, am Südpol oder auf dem Mount Everest zum Einsatz gekommen ist – und sogar im Weltraum!

Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Sie haben das Pensionsalter erreicht. Wann übergeben Sie an die nächste Generation?
Ich bin nun seit 46 Jahren bei Victorinox, seit 2007 als CEO. Mein Ziel ist es, noch das 50-Jahr-Jubiläum zu feiern. Ich wäre dann genau 70 Jahre alt. Ich fühle mich jung, bin hoch motiviert und komme jeden Tag mit Freude zur Arbeit.

Victorinox-Patron Carl Elsener ruft UBS-CEO Sergio Ermotti mit Blick auf dessen Millionenlohn zu Mässigung auf.
Foto: Philippe Rossier
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Carl Elsener: Patron in 4. Generation

Carl Elsener (65) führt das Traditionsunternehmen Victorinox in 4. Generation. Gegründet wurde die Messerschmiede 1884 von seinem Urgrossvater Karl Elsener I. Es ist bis heute durch und durch Familienbetrieb: Sowohl Carl Elseners Ehefrau Veronika Elsener (58) als auch zwei seiner drei erwachsenen Kinder und acht seiner elf Geschwister sind bei Victorinox tätig. Selbst der Name ist Familienbusiness: Er setzt sich zusammen aus dem Namen Victoria, der Mutter von Firmengründer Karl Elsener, und Inox, dem Fachbegriff für rostfreien Stahl.

Das Vermögen der Familie Elsener wird auf 400 Millionen Franken geschätzt. Carl Elsener selbst verdient laut eigenen Angaben rund 300'000 Franken. Er wurde bereits zweimal zum «Leader des Jahres» gewählt, einer Auszeichnung der «Handelszeitung». Neben Wandern, Skifahren und Langlauf gehört auch Zaubern zu seinen Hobbys.

Carl Elsener (65) führt das Traditionsunternehmen Victorinox in 4. Generation. Gegründet wurde die Messerschmiede 1884 von seinem Urgrossvater Karl Elsener I. Es ist bis heute durch und durch Familienbetrieb: Sowohl Carl Elseners Ehefrau Veronika Elsener (58) als auch zwei seiner drei erwachsenen Kinder und acht seiner elf Geschwister sind bei Victorinox tätig. Selbst der Name ist Familienbusiness: Er setzt sich zusammen aus dem Namen Victoria, der Mutter von Firmengründer Karl Elsener, und Inox, dem Fachbegriff für rostfreien Stahl.

Das Vermögen der Familie Elsener wird auf 400 Millionen Franken geschätzt. Carl Elsener selbst verdient laut eigenen Angaben rund 300'000 Franken. Er wurde bereits zweimal zum «Leader des Jahres» gewählt, einer Auszeichnung der «Handelszeitung». Neben Wandern, Skifahren und Langlauf gehört auch Zaubern zu seinen Hobbys.

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Ob unter Ihnen oder unter Ihrem Nachfolger, Ihrer Nachfolgerin: Welche Herausforderungen kommen in den nächsten Jahren auf Victorinox zu?
Ich sehe drei grosse Herausforderungen: erstens die geopolitischen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Uns trifft der Krieg zwischen Russland und der Ukraine direkt. Russland war für unsere Taschenmesser ein sehr wichtiger Markt, den wir seit Kriegsausbruch nicht mehr beliefern.

Ist dieser Umsatz komplett weggebrochen, oder konnten Sie den Einbruch kompensieren?
Wir hatten insofern Glück als wir vor Kriegsausbruch gerade die Covid-Pandemie hinter uns hatten. Während der Pandemie ist unser Umsatz in der Schweiz und in Deutschland stark zurückgegangen, weil keine Touristen mehr herkamen, die unsere Taschenmesser als Souvenir kauften. Die Touristen sind zurückgekommen, mit ihnen die Umsätze. Sie haben den Einbruch auf dem russischen Markt zu einem grossen Teil wettgemacht.

Und die zweite Herausforderung?
Der Wechselkurs. Unsere Taschenmesser, Küchenmesser, Berufsmesser und Uhren werden in der Schweiz hergestellt. 80 Prozent davon gehen in den Export, 20 Prozent verkaufen wir in der Schweiz. Wir müssen weiter automatisieren und rationalisieren, um den starken Schweizer Franken zu kompensieren.

Trotzdem haben Sie bei den Taschenmessern die Preise erhöht, richtig?
Ja, um neun Prozent. Bei den Taschenmessern ist das eher möglich, weil wir wenig Konkurrenz haben. Bei den Berufsmessern hingegen müssen wir mit Herstellern aus Deutschland oder den USA mithalten, da ist unser Spielraum gering. Wir sind so schon 25 Prozent teurer als die grössten Konkurrenten.

Und die dritte Herausforderung?
Wir sind besorgt über die zunehmenden Regulierungen bei Messern aufgrund der Gewalt in der Welt. In England oder gewissen Ländern Asiens darf man teils nur noch ein Messer auf sich tragen, wenn man es für die Ausübung seines Berufs braucht oder im Outdoorbereich unterwegs ist. In der Stadt hingegen, wenn man in die Schule geht, ins Kino, zum Einkaufen, wird das Tragen von Taschenmessern stark eingeschränkt.

Wie gehen Sie damit um? Gibts bald Taschenmesser ohne Messer?
Wir arbeiten tatsächlich an Taschentools ohne Klingen. Mir schwebt zum Beispiel ein cooles Tool für Velofahrer vor. Wir haben bereits ein Tool speziell für Golfer im Sortiment. Velofahrer brauchen wohl besonderes Werkzeug, aber nicht unbedingt eine Klinge. Die Klinge führt in einigen Märkten zu einem Waffen-Image.

Neben Messern produzieren Sie auch Uhren, Gepäck, Parfüm. Verkommt Victorinox zum Gemischtwarenladen?
Nein. Wir haben drei klar definierte Bereiche: Outdoor, Reisen und Schneiden in der Küche. 9/11 hat uns schmerzlich aufgezeigt, dass wir uns nicht von einem einzigen Geschäftsbereich abhängig machen dürfen. Damals ist der Umsatz bei den Taschenmessern über Nacht um über 30 Prozent eingebrochen. Da hat es uns geholfen, dass wir mit Uhren, Berufsmessern und Küchenmessern weitere Standbeine hatten.

Und wie passen die Parfüms da rein?
Die haben für uns zugegeben eine geringe Bedeutung. Das Parfüm kam 2005 durch die Übernahme der Firma Wenger zu uns.

Vor einigen Jahren gab es ein Victorinox-Taschenmesser mit eingebautem Mp3-Player – das Produkt floppte. Wagen Sie bald einen neuen Versuch, um auf die Digitalisierung aufzuspringen?
Nicht bei unseren Produkten: Wir haben uns bewusst dafür entschieden, in einer digitalen Welt analog zu bleiben. Aber im Hintergrund setzen wir natürlich stark auf Automatisierung, Digitalisierung und neuerdings auch auf Künstliche Intelligenz (KI). Im Marketing zum Beispiel erstellen wir Texte, Bilder, Grafiken und Videos, wo sinnvoll, mittels KI.

Victorinox ist bekannt als bodenständiges Schweizer Unternehmen. Was halten Sie von Millionensalären für Manager, etwa die 14,4 Millionen Franken für UBS-CEO Sergio Ermotti?
Extreme sind nie gut. Grosse Ausnahmeleistungen müssen honoriert werden. Aber wenn man es damit übertreibt, kippt es ins Negative. Für den Wirtschaftsstandort ist das ungesund. Ein Wirtschaftskapitän hätte die Chance, sich selbst zu mässigen, mehr Bescheidenheit an den Tag zu legen. Das würde dem Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die Wirtschaft guttun.

Also appelliert Herr Elsener an Herrn Ermotti: «Mässigen Sie sich?»
Mit mehr Bescheidenheit und persönlicher Mässigung könnte ein starkes Zeichen gesetzt werden.

Victorinox machte gerade mit seiner Verstrickung in zwei grosse Wirtschaftspleiten Schlagzeilen: Einerseits hatten Sie in Signa investiert …
… bei Signa liegt der Verlust – wenn die Aktionäre ganz leer ausgehen – bei maximal 650'000 Franken. Wir hatten dort 100'000 Aktien gekauft. Ein Berater hatte uns dieses Investment ans Herz gelegt. Mit René Benko selbst waren wir nicht in Kontakt.

Und wie kam es zu Ihrem Involvement beim insolventen liechtensteinischen Tech-Investor Identec? Es wurde spekuliert, dass Victorinox bis zu zehn Millionen verlieren könnte.
Das stimmt so nicht! Mein Vater hatte zwei Geschwister, die keine Nachkommen hatten. Sie haben einen substanziellen Teil ihres Vermögens an Victorinox vermacht. Teil dieser Schenkung waren auch Identec-Aktien. Wir haben die Aktien 2011 mit einem Wert von 1,5 Millionen Euro in unsere Bücher aufgenommen. Bereits 2021 haben wir den Wert auf 1 Franken abgeschrieben, weil die Entwicklung bei Identec in die falsche Richtung ging. Wenn die Aktionäre nach der Pleite nun leer ausgehen, müssen wir noch einen Franken abschreiben. Victorinox hat für die Identec-Aktien nie etwas bezahlt.

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