Heikles Werbe-Umfeld
Schweizer Firmen desertieren von Elon Musks X

Schweizer Werbeexodus: UBS, Swiss Post und weitere Schweizer Firmen ziehen sich von X, ehemals Twitter, zurück. Das sind die Gründe.
Publiziert: 11.12.2023 um 11:12 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2023 um 14:15 Uhr
Holger Alich, Tina Fischer, Andreas Güntert, Olivia Ruffiner
Handelszeitung

Grosse Werbekunden wie die UBS und die Schweizerische Post haben ihr Werbeengagement auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) zurückgefahren. Das hat eine Umfrage der «Handelszeitung» bei zwanzig namhaften Unternehmen ergeben. «Wir spielen seit Dezember 2022 keine Werbung mehr auf Twitter/X aus», erklärte zum Beispiel die Post.

Ähnliches ist aus dem Umfeld der UBS zu hören. Auch die Privatbank Julius Bär hat nach eigenen Angaben seit 2022 keine Werbung mehr beim Kurznachrichtendienst geschaltet, die Swiss Life hat ihre Werbeaktivitäten in diesem Jahr auslaufen lassen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Insgesamt spielte Twitter respektive X für Schweizer Werbekunden von jeher eine geringere Rolle als in Ländern wie Deutschland – nun fahren die wenigen Schweizer Kunden, die X noch hat, ihr Engagement weiter herunter. So teilte der Versicherer Zurich mit, «seit geraumer Zeit» keine Werbung mehr auf X zu schalten.

Die Plattform X, vormals Twitter, wird immer mehr zum Tummelplatz für extreme Ansichten und Verschwörungstheorien.
Foto: Anadolu via Getty Images
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X verliert weltweit an Gewicht

Weltweit weht der Plattform, die Elon Musk im Oktober 2022 für 44 Milliarden Dollar gekauft hat, ein rauer Wind entgegen. Laut einer Umfrage des deutschen «Handelsblatts» haben acht Konzerne des deutschen Leitindex Dax ihre Werbung auf X eingestellt, darunter die Allianz, BASF und Mercedes. Weitere fünf haben die Reklame auf X bereits seit einem Jahr ausgesetzt, etwa Volkswagen.

Auch in den USA ziehen sich immer mehr Konzerne zurück, so zum Beispiel Apple, IBM oder Disney. Auf deren Ankündigungen reagierte X-Eigentümer Elon Musk eher undiplomatisch: «Go fuck yourself!», rief er den Firmen hinterher, die ihre Anzeigen stornierten.

Der Grund für den Rückzug ist die Sorge um die eigene Marke. Denn seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk werden die Beiträge weniger stark auf rassistische Inhalte und Fake News überprüft. X wird zum Tummelplatz für Klimaleugner, Antisemitinnen und Verschwörungstheoretiker – kein Umfeld, in dem Unternehmen ihre Marken sehen möchte.

«Wir sehen, dass immer mehr Unternehmen ihre Werbeaktivitäten auf X kritisch hinterfragen. Sie sind verunsichert, ob ihre Anzeigen noch in einem für ihr Brand passenden Werbeumfeld erscheinen», kommentiert Joël Meier, Director Advertising bei Webrepublic. «Diese Frage taucht seit der Übernahme der Plattform durch Elon Musk vermehrt auf.»

Schweizer Retailer setzen auf andere Kanäle

Im Unterschied zu Deutschland und den USA spielte X für bezahlte Werbeanzeigen in der Schweiz nie eine dominante Rolle: «Andere Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Linkedin bieten in der Schweiz bessere Paid-Angebote und ein attraktives Zielpublikum mit hoher Reichweite», sagt Dominik Allemann, Co-Inhaber der Zürcher Kommunikationsagentur Bernet und Mitherausgeber der zweijährlich erscheinenden Schweizer Studie «Social Media in Organisationen und Unternehmen».

Die grössten Werbekunden der Schweiz sind die grossen Detailhändler wie Migros und Coop. Beide genossenschaftlichen Gruppen erklären, dass sie noch nie Werbung auf Twitter/X geschaltet haben und das auch für die Zukunft nicht planen. Die gleichen Aussagen machen Aldi Suisse, Lidl Schweiz und Denner. In Deutschland dagegen will Aldi Nord erst Anfang kommenden Jahres die Plattform X komplett verlassen.

Online-Shops und Dienstleistungsanbieter werben auf X

Es gibt aber auch noch Ausnahmen, gerade im Tech-Bereich: So hat die Swisscom nach der Twitter-Übernahme durch Musk ihre Werbeaktivitäten für drei Monate zunächst gestoppt, danach aber wieder «vorsichtig» aufgenommen, wie der Konzern mitteilt. «X/Twitter ist rund um gewisse Themen für die User nach wie vor ein relevanter Kanal und somit auch für uns als Werbekanal interessant», so die Swisscom.

Auch die Competec-Gruppe, zu welcher der Online-Händler Brack.ch gehört, hat in diesem Jahr «vereinzelt Werbung auf X geschaltet, vor allem im Bereich Gaming», wie ein Sprecher sagt. Für 2024 seien bisher keine Werbemassnahmen geplant. Die Migros-Tochter Digitec Galaxus hält X die Treue – auch wenn das Volumen klein bleibe: «Aktuell investieren wir nur einen minimalen Bruchteil unseres Werbebudgets in Werbung auf X im Vergleich zu anderen relevanten Plattformen.» Es gebe keine Pläne, die Werbeaktivitäten 2024 auf X einzuschränken. Doch auch für Digitec Galaxus war X beziehungsweise Twitter nie ein besonders wichtiger Werbekanal; andere Social Media wie Meta (Facebook), Tiktok, Twitch und Google seien bedeutender.

Relevanz der Plattform

Ob X irrelevant geworden ist? Joël Meier von Webrepublic will die Plattform nicht komplett abschreiben. Sie sei nach wie vor relevant, um zahlungskräftige Personen zu erreichen. Nach seinen Angaben hat X in der Schweiz derzeit 1,7 Millionen Nutzerinnen und Nutzer.

Social-Media-Landschaft Schweiz

Die wichtigsten digitalen Plattformen der Schweiz sind überschaubar. Joël Meier, Director Advertising bei Webrepublic, fasst die Social-Media-Landschaft der Schweiz wie folgt zusammen:

  • Die relevanteste digitale Werbeplattform der Schweiz ist das Google-Ads-Universum, inklusive Search Engine Advertising, Youtube, Shopping oder Maps.
  • Auf Platz zwei folgt die Meta-Welt mit Facebook und Instagram. Gemäss der neuesten Studie von Igem (Interessengemeinschaft elektronischer Medien) hat dieses Jahr Instagram die bisher meistgenutzte Plattform Facebook überholt. Instagram weist eine Reichweite von 42 Prozent auf – das heisst, dass 41 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer über 15 Jahre zumindest gelegentlich auf dieser Plattform sind.
  • Auf Platz drei tummeln sich Linkedin, Snapchat und Pinterest, bei denen alle drei ähnliche Reichweiten haben: 20 bis 30 Prozent.
  • Tiktok wächst bei den Jungen sehr stark und wird immer wichtiger: Fast 50 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind gelegentlich auf der Plattform.
  • Unklar ist im Moment, welche Position die Plattformen Discord sowie Threads von Meta einnehmen werden.

Die wichtigsten digitalen Plattformen der Schweiz sind überschaubar. Joël Meier, Director Advertising bei Webrepublic, fasst die Social-Media-Landschaft der Schweiz wie folgt zusammen:

  • Die relevanteste digitale Werbeplattform der Schweiz ist das Google-Ads-Universum, inklusive Search Engine Advertising, Youtube, Shopping oder Maps.
  • Auf Platz zwei folgt die Meta-Welt mit Facebook und Instagram. Gemäss der neuesten Studie von Igem (Interessengemeinschaft elektronischer Medien) hat dieses Jahr Instagram die bisher meistgenutzte Plattform Facebook überholt. Instagram weist eine Reichweite von 42 Prozent auf – das heisst, dass 41 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer über 15 Jahre zumindest gelegentlich auf dieser Plattform sind.
  • Auf Platz drei tummeln sich Linkedin, Snapchat und Pinterest, bei denen alle drei ähnliche Reichweiten haben: 20 bis 30 Prozent.
  • Tiktok wächst bei den Jungen sehr stark und wird immer wichtiger: Fast 50 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind gelegentlich auf der Plattform.
  • Unklar ist im Moment, welche Position die Plattformen Discord sowie Threads von Meta einnehmen werden.

Daneben setzen Unternehmen die Plattform X weiterhin als schnellen Kommunikationskanal ein. So nutzen die SBB und die Swiss die Plattform, um ihre Kundinnen und Kunden zu informieren, etwa über Verspätungen oder Störungen. «Diese Informationen werden sehr geschätzt», so die SBB. Aber auch die Schweizer Bahnen schalten schon seit einigen Jahren keine Werbung mehr auf X. Swiss hat dies nach eigenen Angaben noch nie getan.

Die Flucht der Werbekundschaft ist vor allem für Elon Musk unangenehm, denn X verliert so ständig an Wert. Im Mai wurde durch eine Börsenveröffentlichung des X-Co-Aktionärs Fidelity bekannt, dass die Plattform seit der Übernahme durch Musk rund zwei Drittel ihres Wertes verloren hat und nur noch knapp 15 Milliarden Dollar wert sei. Der Wert dürfte seitdem wohl weiter gesunken sein.

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