Jetzt gibts auch scharfe Rüge von der US-Flugaufsicht FAA
Pannenserie bei Boeing nimmt kein Ende

Der US-Flugzeughersteller rutscht von einer Krise in die Nächste. Abschreiben darf man den zweitgrössten Flugzeughersteller der Welt aber dennoch nicht.
Publiziert: 27.02.2024 um 16:37 Uhr
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Die Boeing 777 der Swiss haben in den vergangenen Tagen Ärger gemacht. Das mag tatsächlich eine zufällige Häufung von Fällen sein. Aber bei Boeing schaut man inzwischen besser zweimal hin.

Erst am heutigen Dienstag hat die US-Luftfahrtbehörde FAA nach einer monatelangen Untersuchung Mängel bei der Qualitätssicherung von Boeing angeprangert. In der Verkehrsflugzeug-Sparte fand eine FAA-Kommission etwa «keinen einheitlichen Weg für die Mitarbeitenden, über Qualitätsmängel zu berichten». Zudem gebe es Anhaltspunkte dafür, dass die Meldung von Qualitätsproblemen negative Auswirkungen für die Mitarbeitenden nach sich ziehen könnte.

Es ist nicht das erste Mal, dass Boeing schlecht dasteht: Schon 2017 hatten sich zwei nicht namentlich genannte Boeing-Mitarbeitende zum Flugzeugtyp Boeing 737 Max ausgetauscht. Der publik gewordene Austausch sorgte für Aufsehen, weil ein Mitarbeitender sagte, dass dieser Flugzeugtyp von Clowns konzipiert worden sei, welche wiederum unter Aufsicht von Affen stehen («This airplane is designed by clowns who in turn are supervised by monkeys»).

Die 737 Max ist seit Jahren ein Sorgenkind von Boeing.
Foto: keystone-sda.ch
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Schwere Konsequenzen für Boeing

«Boeing kommt nicht mehr aus seinem Image-Loch heraus», konstatiert auch der langjährige Aviatikjournalist Patrick Huber (65). Davon profitieren Mitbewerber wie Airbus. Doch Huber erinnert sich, dass auch Airbus in den 90er-Jahren grosse Probleme hatte, von denen damals Boeing profitierte. Deshalb sei es zu früh, um Boeing abzuschreiben.

Die vergangenen fünf Jahre waren allerdings eine einzige Chronik des Grauens für den Flugzeugbauer aus Everett (USA). Blick fasst die Probleme nach Flugzeugtyp zusammen.

Boeing 737 Max

Im Oktober 2018 stürzt eine praktisch neue Boeing 737 Max von Lion Air kurz nach dem Start in Jakarta (Indonesien) ab, was 189 Tote fordert. Am 10. März 2019 stürzt eine ebenfalls neue Boeing 737 Max von Ethiopian Airlines kurz nach dem Start in Addis Abeba (Äthiopien) ab, was 157 Menschenleben kostet.

Untersuchungsberichte deuten auf Fehlfunktionen in einem Flugsteuerungssystem hin. Am 13. März 2019 wird dann die Boeing 737 Max weltweit mit einem Flugverbot belegt. Das ist nicht übertrieben: In weiteren Untersuchungen wird deutlich, dass Boeing Piloten nicht ausreichend über die Gefahren des Flugsteuerungssystems informiert hat. Eine Sonderkommission kommt gar zum Schluss, dass beide Abstürze auf klare Versäumnisse bei Boeing und bei der FAA zurückzuführen sind. Nicht nur bei der Konstruktion wurde gepfuscht, auch beim Zulassungsverfahren.

Ende Januar 2020 meldet Boeing den ersten Jahresverlust seit über 20 Jahren. Kurz davor muss CEO Dennis Muilenburg abtreten. Erst am 18. November 2020 werden die Boeing 737 Max wieder für den Flugbetrieb freigegeben. 

Am 7. Januar 2021 erklärt sich Boeing bereit, im Rahmen eines Vergleichs mit dem US-Justizministerium wegen «betrügerischer Irreführung der Aufsichtsbehörden» über 2,5 Milliarden US-Dollar an Geldbussen und Entschädigungen zu zahlen.

Im Januar 2024 kommt es bei diesem Flugzeugtyp erneut zu Problemen. Lose Türen, abgefallene Räder: Boeing hält zahlreiche Fluggesellschaften an, ihre Flugzeuge zu überprüfen. Boeing darf die Produktion der Max-Reihe vorerst nicht mehr über das jüngste Niveau von monatlich 38 Maschinen hinaus steigern.

Boeing 777X

Das Nachfolgemodell der Boeing 777 sollte ursprünglich 2020 in den Verkauf gelangen. Unter anderem wegen Covid-19, aber auch wegen Zwischenfällen bei Tests, ist das Inverkehrssetzungsdatum nun auf 2025 verschoben. 

Boeing 737 NG (Next Generation)

Bei der 737 NG-Serie, dem Vorgängermodell der Max, gibt es 2019 Probleme mit Struktur, die den Flügel mit dem Rumpf verbindet. Risse in dieser kritischen Komponente führten zu Inspektionen und Reparaturen bei einer grossen Anzahl von Flugzeugen.

Boeing 787 Dreamliner

Bei diesem Flugzeugtyp gab es mehrere Herstellungs- und Konstruktionsprobleme, insbesondere im Zusammenhang mit Verbundwerkstoffen und Batterien. Diese Probleme führten schon 2013 zu einem vorübergehenden weltweiten Flottenstopp aufgrund von Bedenken wegen Batteriebränden. 2020 und 2021 gab es erneut Probleme, dieses Mal mit den Rumpfverbindungsbereichen und den horizontalen Stabilisatoren. Das führte zu Lieferverzögerungen und Sonderinspektionen.

Airbus lacht und profitiert

Während US-Konkurrent Boeing tief in einer hausgemachten Krise steckt, könnte Airbus mehr Maschinen verkaufen. Für 2024 ist die Auslieferung von 800 Flugzeugen vorgesehen – im Rekordjahr 2019 wurden 863 Jets ausgeliefert.

Airbus hat Boeing schon 2019 als grössten Flugzeughersteller abgelöst. Boeing hat inzwischen fünf Jahre am Stück mit Verlusten verzeichnet. Airbus erzielte dagegen im vergangenen Jahr einen bereinigten Gewinn von 5,8 Milliarden Euro.

Doch Boeing darf man nicht abschreiben. An den letzten grossen Luftfahrtshows in Paris und Dubai konnte auch Boeing Dutzende Flugzeugbestellungen verbuchen.

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