Ladenkette Reformhaus Müller ist pleite
So steht es um den Bio-Trend in der Schweiz

Die Ladenkette Reformhaus Müller ist am Ende. 298 Angestellte müssen sich einen neuen Job suchen. Auch andere Bio-Läden spüren den Wandel. Sie erhalten mittlerweile auch von Discountern Konkurrenz im Bio-Bereich.
Publiziert: 04.01.2023 um 20:54 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2023 um 21:14 Uhr
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Samuel WalderRingier Journalistenschüler

Das Aus der Ladenkette Reformhaus Müller ist ein Paukenschlag auf dem Bio-Markt. Mit 37 Filialen und fast 300 Angestellten gehörte Reformhaus Müller zu den grösseren Bio-Ketten in der Schweiz. Die Stimmung in der Branche ist nach der Pleite-Meldung vom Dienstag gedrückt, wie Gespräche zeigen, die Blick mit diversen Branchenvertretern führte.

Etwa bei Carsten Hejndorf (55). Er ist Geschäftsführer des auf Nachhaltigkeit spezialisierten Bachsermärt mit fünf Filialen im Kanton Zürich. «Als ich die Nachricht hörte, dass Müller in Konkurs gegangen ist, musste ich leer schlucken», erzählt Hejndorf. «Wir haben unsere Stammkundschaft, trotzdem haben wir gemerkt, dass der Warenkorb nicht mehr so voll ist.»

«Ich weiss noch nicht, wo ich meine Produkte jetzt finden kann»
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Reformhaus-Kundin verzweifelt:«Ich weiss noch nicht, wo ich meine Produkte jetzt finden kann»

Auch Reformhaus Müller nannte als Grund für die Pleite nachlassende Kundenfrequenzen. «Wir haben seit 2016 50 Prozent der Kundschaft verloren», sagte Mischa Felber (38) von Reformhaus Müller im Blick.

In der Bio-Branche ist die Stimmung gedrückt. Blick in eine Bachsermärt-Filiale.
Foto: zVg
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Heute kann man überall Bio kaufen

Auf den ersten Blick überrascht es, dass Bio-Märkte und Reformhäuser zu kämpfen haben, wo Nachhaltigkeit doch voll im Trend liegt. Aber genau dieser Trend wird den spezialisierten Anbietern, oftmals Pioniere in diesem Gebiet, nun zum Verhängnis. «Viele grosse Läden sind ebenfalls in die Bio-Welt eingestiegen», sagt Andreas Lieberherr (58) vom Lebensmittelgrosshändler Bio Partner, der Reformhäuser und andere Detailhändler beliefert. «Kunden können jetzt bei Migros, Coop, Aldi oder Lidl Bio kaufen.»

Das Angebot ist breiter und vielfältiger geworden. «Früher hat man den Grosseinkauf im Bio-Laden gemacht», so Lieberherr. Heute nimmt der Kunde den Extra-Weg in einen Bio-Laden nur noch für sehr spezielle Produkte auf sich, oder sie sind Stammkunden. Diesen Eindruck bestätigt auch Carsten Hejndorf vom Bachsermärt.

Der Bio-Trend flachte im Jahr 2022 ab

Dabei ist auch der Preis entscheidend: Migros, Coop und andere grosse Detailhändler haben grösseren Spielraum, die Produkte günstiger anzubieten. Kleinere Ketten wie Reformhaus Müller bleiben auf der Strecke.

«Wie es halt bei einem Hype so ist, steigen zuerst ganz viele Kunden auf denselben Zug auf», meint Lieberherr. Nach dem Hype zeige sich, wer aus Überzeugung Bio kauft. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Zwischen 2016 und 2021 stieg der Verkauf von Bio-Produkten rasant an. Mitte 2022 flachte die Kurve ab. Konkrete Angaben sind noch nicht vorhanden, da die Auswertungen noch laufen.

Dabei dürfte auch die anhaltende Inflation eine Rolle spielen: Wenn das Geld knapp wird, greift man eher zum günstigeren konventionellen als zum teureren Bio-Produkt.

Teure Filialen an Top-Lagen

Neben dem nachlassenden Bio-Hype und der harten Konkurrenz durch die grossen Detailhändler wurden dem Reformhaus Müller wohl auch seine prominenten Filialen zum Verhängnis. Das Flaggschiff befand sich am Zürcher Rennweg, neben Edel-Boutiquen und internationalen Ketten. Auch am Zürcher Hauptbahnhof betrieb Reformhaus Müller eine Filiale.

«Die Filialen am Rennweg und am Bahnhof Zürich sind sehr gut und sicher nicht günstig», sagt Michael Dressen (49), Experte für Immobilien im Detailhandel beim internationalen Immobilien-Dienstleister CBRE. «Die Mieten an diesen Top-Lagen sind naturgemäss hoch. Wenn dann die Kunden die gleichen Produkte in Läden in der Nähe ihres Wohnorts finden, kommen zu wenig Kunden an den Rennweg», sagt Dressen.

Neue Nachmieter zu finden, ist kein Problem

Zudem hätten die Läden eine gute Frequenz von Menschen, die vorbeiliefen, es seien aber viele Touristen dabei. Diese gehen kaum in einen Bio-Laden einkaufen. Die nun verwaisten Ladengeschäfte am Rennweg, am Zürcher Hauptbahnhof und anderen Müller-Standorten dürften weggehen wie warme Weggli. Dressen hat schon diverse Anfragen von Interessenten bekommen. «Jemand Neues zu finden, wird kein Problem sein bei so einer prominenten Lage.» Blick weiss von einem Ostschweizer Schuhgeschäft, das die Filialen in Zürich übernehmen will.

Carsten Hejndorf vom Bachsermärt hingegen interessiert sich nicht für die frei werdenden Filialen in Zürich. Er betreibt bereits drei Läden in Zürich, die anderen beiden befinden sich in Bachs und Eglisau ZH. Er bleibt trotz Inflation und abflachendem Bio-Trend optimistisch: «Wir haben keine Kunden verloren und können uns vom Standardangebot der Bio-Ware bei grossen Anbietern abheben.» Besonders weil in kleinen Bio-Läden wie dem Bachsermärt Frischwaren verkauft werden. «Das heisst, wir haben ein breites Angebot an frischem Gemüse, Milchprodukten und Brot.» Dieses Angebot könne kein grosser Detailhändler bieten.

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