Sanktionen kommen russische Oligarchen teuer zu stehen
Yacht weg, Klub weg, Villen weg

Zusammen mit Wladimir Putin ist sie aufgestiegen und hat Milliarden gescheffelt: die Kaste der Oligarchen. Die Sanktionen dürften einigen von ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen. Die Oligarchen-Dämmerung erreicht nun auch den Finanzplatz Schweiz.
Publiziert: 04.03.2022 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 25.06.2024 um 15:57 Uhr
Christian Kolbe

Russische Oligarchen haben ein paar auffällige Gemeinsamkeiten: Sie sind stinkreich, meiden Öffentlichkeit und Transparenz – und haben alle das gleiche Problem: den russischen Präsidenten Wladimir Putin (69). Denn seit dem Überfall auf das souveräne Nachbarland Ukraine vor gut einer Woche ist ihnen die Nähe zu Putin zum Verhängnis geworden – selbst für diejenigen, die noch auf keiner Sanktionsliste stehen.

Wie zum Beispiel Roman Abramowitsch (55), der in einem Notverkauf den Fussballklub Chelsea los werden will. Ein möglicher Abnehmer: Ein Konsortium rund um den Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss (86). Denn auch wer noch nicht auf einer Sanktionsliste steht, der muss seine Besitztümer möglichst schnell zu Bargeld machen, bevor sie beschlagnahmt werden. In London zum Beispiel wird sehr laut darüber nachgedacht, die Häuser des Chelsea-Besitzers zu konfiszieren. Auch am Comersee in Italien und an der französischen Côte d'Azur sollen bereits Listen oligarchischer Besitztümer erstellt werden.

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Yacht wird beschlagnahmt

Abramowitsch hat noch eine Galgenfrist, ein anderer Oligarch, der eine ganz besonders enge Beziehung zum Präsidenten haben soll, war zu langsam: Alisher Usmanow (68) landete am Montag auf der Sanktionsliste der EU. Am Mittwoch wurden in Hamburg (D) die Wartungsarbeiten an der Luxusyacht «Dilbar» eingestellt. Die deutschen Behörden wollen den 550-Millionen-Franken teuren Kahn beschlagnahmen. Die Besitzverhältnisse sind noch nicht geklärt.

Die Nähe zu Wladimir Putin kann selbst für mächtige Oligarchen gefährlich sein.
Foto: Sergei Guneyev/POOL/TASS
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Usmanow kontrolliert den Stahlgiganten Metalloinvest und verbreitet über die Tageszeitung «Kommersant» Putin-freundliche Propaganda. Er unterstütze eine «die Ukraine destabilisierende Politik der russischen Regierung aktiv», so der Vorwurf der EU. Der Stahl- und Medienmogul lebte ab 2016 für einige Jahre in Lausanne. Die «Bilanz» schätzte sein Vermögen damals auf 12 bis 13 Milliarden Franken.

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Sanktionen willkommen

Angeblich habe Präsident Putin die Anweisung zur Heimschaffung der Oligarchengelder nach Russland erteilt, schreibt das Finanzportal Inside Paradeplatz. Liquidieren und repatriieren lautet offenbar der Befehl. Das gelte übrigens nicht nur für die Vermögen der superreichen Oligarchen, sondern für alle gut betuchten Russen in der Schweiz.

Insider mit vertieften Kenntnissen der russischen Finanzszene in der Schweiz weisen darauf hin, dass einigen reichen Russen die Sanktionen ganz recht seien, um diese Forderung zu umgehen. Denn wer wolle schon seine harten Devisen in den weichen Rubel wechseln und sein Geld in Moskau bunkern, so die Begründung. Andererseits solle sich Putin gar über die Schwächung der Oligarchen durch die Sanktionen freuen, denn das verleihe ihm noch mehr Macht.

Es wird sogar gemunkelt, dass der Einfluss der sonst so mächtigen Milliardäre geschrumpft sei, selbst die Superreichen erreichten den Potentaten im Kreml nicht mehr.

Finanzdrehscheibe Schweiz

Schwer könnte es auch für die Schweizer Ableger der Sberbank und der Gazprombank werden. Die Schweizerische Bankiervereinigung will die Gazprombank ausschliessen, wie die «Rundschau» von SRF berichtete. Ein Entscheid über den weiteren Verbleib der beiden russischen Finanzinstitute in der Lobbyvereinigung soll noch am Donnerstagabend an einer Verwaltungsratssitzung fallen. Klar ist: Werden tatsächlich Gelder nach Russland verschoben, spielen die beiden Schweizer Töchter ein grosse Rolle.

Denn wohl jeder der milliardenschweren Oligarchen hat einen – zumindest finanziellen – Bezug zur Schweiz. Vor ein paar Tagen schätzte die «NZZ» die russischen Vermögen auf dem Finanzplatz auf 50 bis 150 Milliarden Franken. Eine vorsichtige Schätzung.

Auch wenn niemand offen darüber spricht, es herrscht Hektik und Nervosität auf dem Finanzplatz. Übers Wochenende haben einige Banken noch Neugelder von russischen Kunden angenommen, andere waren da schon vorsichtiger.

Oligarchen kündigen Widerstand an

Die Sanktionen treffen die Oligarchen auf vielfältige Weise: Alexej Mordaschow (56) von Severstal kann seine Stahlgeschäfte nicht mehr über das Tessin abwickeln. Aus dem Verwaltungsrat des Reisekonzerns Tui musste der Russe austreten.

Ebenfalls auf der Sanktionsliste steht Gennadi Timtschenko (69). Der enge Freund von Putin besitzt in Cologny GE ein grosses Anwesen und hat sein Vermögen im Ölgeschäft gemacht. Seine Beteiligung an der Ölhandelsfirma Gunvor hat er im Jahr 2014 verkauft. Damals besetzte Russland die Halbinsel Krim. 

Einige der Oligarchen wie zum Beispiel Stahlmagnat Mordaschow verstünden die Welt nicht mehr, könnten nicht nachvollziehen, warum ihnen die Nähe zu Putin nun angelastet wird – und wollen sich nun mit allen rechtlichen Mitteln gegen Sanktionen und Beschlagnahmungen zur Wehr setzen.

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