Zuzüger sorgen für höhere Mieten und Kaufpreise
Jetzt wird in den Bergen der Wohnraum knapp

Dort, wo die Bevölkerung einst abwanderte, herrscht heute Wohnungsnot. Zuzüger sorgen in Graubünden, im Berner Oberland und im Oberwallis für eine massive Erhöhung bei Mieten und Kaufpreisen.
Publiziert: 31.03.2022 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2022 um 08:36 Uhr
Dorothea Vollenweider

Die ehemalige Miss Schweiz und Unternehmerin Silvia Affolter (57) hat ihrer Heimatstadt Zürich den Rücken gekehrt. Seit zwei Jahren lebt sie mit ihrem Ehemann Ronald Sauser (67) in Punt Muragl GR. «Wir haben schon die letzten zehn Jahre sehr viel Zeit in unserem Haus in Punt Muragl verbracht und es immer sehr genossen», sagt Affolter zu Blick.

Darum hätten sie sich nun entschlossen, ihren Lebensmittelpunkt definitiv ins Oberengadin zu verlegen. «Das Engadin bietet eine einmalige Infrastruktur und tolle Naturerlebnisse», schwärmt Affolter. «Vor unserer Haustür haben wir Hirsche, Geissen, Pferde und Kühe.»

So wie der erfolgreichen Unternehmerin geht es auch vielen anderen Schweizerinnen und Schweizern. Immer mehr suchen sich einen neuen Wohnsitz in den Bergen. Die Anziehungskraft der Bergregionen ist stärker denn je. Mit ein Grund dafür ist die Pandemie. Sie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. «Viele Jobs können heute ortsungebundener ausgeführt werden», sagt Robert Weinert (43), Leiter Immo-Monitoring bei Wüest Partner. «Das ermöglicht es immer mehr Schweizern, ihr Homeoffice in die Berge zu verlegen.» Und zwar nicht nur in einen Zweitwohnsitz, sondern auch in ihren Hauptwohnsitz.

Die ehemalige Miss Schweiz und Unternehmerin Silvia Affolter (57) wohnt mit ihrem Ehemann Ronald Sauser (67) seit zwei Jahren im Engadin.
Foto: zVg
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Ansturm von Zuzügern

Die jüngste Ausgabe des Wüest-Partner-Reports zeigt, dass die Suchaufträge auf Immobilienportalen für Wohnobjekte in Berggemeinden zwischen Januar 2020 und Januar 2022 stark zugenommen haben. Die Anzahl Suchabos für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser in touristischen Berggemeinden stieg um über 70 Prozent.

Auch in Berggebieten ausserhalb der touristischen Gemeinden kletterte die Zahl der Suchaufträge um über 40 Prozent. Mietobjekte werden in den Berggemeinden ebenfalls häufiger gesucht als noch vor der Pandemie. Im Vergleich dazu nahm die Anzahl Suchabos in Grossstädten in derselben Zeitspanne ab.

Die Zunahme der Suchabos ist laut der Immo-Beratungsfirma teilweise eine direkte Folge der gestiegenen Nachfrage nach Zweitwohnungen. «Verschiedene Beobachtungen aus dem letzten Jahr zeigen aber auch, dass das Interesse an Erstwohnsitzen zugenommen hat», sagt Weinert. So stieg beispielsweise die Bevölkerungszahl in einigen touristischen Regionen. Dazu gehören unter anderen das Oberengadin, Mittelbünden oder Leuk.

Plötzlich zukunftsfähig

Eine Trendumkehr zeichnet sich also ab. Dies, nachdem viele Gebiete in den Schweizer Bergen in den letzten zehn Jahren vor der Pandemie einen Bevölkerungsrückgang verzeichneten – so etwa grosse Teile von Graubünden, des Oberwallis und des Berner Oberlands. «Einer der Hauptgründe dafür waren die teilweise schwachen Wirtschaftsstrukturen», sagt Immobilienexperte Weinert.

Pensionäre sorgen für Wohnungsmangel

Gewisse Bevölkerungsgruppen sind in den Bergen besonders häufig anzutreffen. Überdurchschnittlich gross ist der Anteil der Pensionierten. Während Menschen im Pensionsalter in der Schweiz im Schnitt 18,8 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind es in den Tourismusregionen heute bereits 23,4 Prozent – mit steigender Tendenz.

Und gerade diese Bevölkerungsgruppe wird in den kommenden Jahren nochmals stark ansteigen. Gemäss den Prognosen des Bundesamts für Statistik (BFS) dürfte bis 2050 eine Million Menschen zusätzlich in Pension gehen.

Der Run auf Wohnraum und das gleichzeitig in den meisten Berggemeinden geltende Zweitwohnungsbauverbot führen dazu, dass das Angebot für Wohnungssuchende immer kleiner wird.

Mitte 2021 war der Rückgang so stark, dass die Leerstandsquoten in verschiedenen Bergregionen, insbesondere in den touristischen Gegenden, deutlich unter der optimalen Quote von 1,3 Prozent lagen. Besonders tiefe Leerstandswerte sind aktuell in vielen Teilen des Kantons Graubünden, im Berner Oberland und in der Region Visp im Oberwallis auszumachen.

Massive Preisanstiege

Das ist insbesondere für Einheimische ein Problem. Denn eine Leerstandsquote von unter 1,3 Prozent macht es für Wohnungssuchende sehr schwer, passende Objekte zu finden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kaufpreis und Miete steigen, ist in diesen Gemeinden hoch.

Bereits jetzt sind die Preise für Wohneigentum stark angestiegen. Allein in den letzten beiden Jahren haben sie sich zwischen 13,4 und 16,9 Prozent erhöht. Auch Mietwohnungen sind gerade in touristischen Bergregionen teurer geworden. Das Mietpreisniveau liegt hier zwar meist noch deutlich unter demjenigen von Hotspots wie Zürich, Nyon VD oder Zug. Das beträchtliche Mietpreiswachstum zeigt aber, wie gross die Nachfrage in den Berggebieten ist.

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