«Die schweren Sachen sollte man unten verstauen»
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Experte gibt Tipps zum Beladen:«Die schweren Sachen sollte man unten verstauen»

Beim Crash werden Camper zum Risiko
Grosse Freiheit, grosse Gefahr

Wohnmobile boomen wie nie zuvor. Doch falsches Beladen, veraltete Technik und inkorrektes Verhalten an Bord können die fahrbaren Wohnungen zur echten Gefahr auf unseren Strassen machen, wie ein aktueller Crashtest zeigt. Wie du sicher unterwegs bist, liest du hier.
Publiziert: 14.05.2023 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2023 um 11:55 Uhr
Kim Hüppin

Flexibel und unabhängig reisen, die Wohnung immer dabei: Wohnmobile boomen wie nie zuvor. Und das besonders seit der Corona-Pandemie: 87'416 Camper waren 2022 in der Schweiz eingelöst – ein Zuwachs um 26 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2018!

Doch die teils deutlich mehr als 3,5 Tonnen schweren Mobile bieten nicht nur grosse Freiheit, sondern können auch zur grossen Gefahr für Insassen und andere Verkehrsteilnehmende werden: Die schiere Masse führt zu eingeschränkter Dynamik und Wendigkeit, was schwerwiegende Unfällen zur Folge haben kann. Wie gefährlich Wohnmobile tatsächlich sein können, hat die Baloise Versicherung zusammen mit der Kantonspolizei Basel-Stadt und der Internetplattform MyCamper im Dynamic Test Center DTC in Vauffelin BE mit mehreren Crashtests eindrucksvoll aufgezeigt.

Tipp 1: Richtig laden

Aufgrund ihrer Grösse besitzen Wohnmobile einen sehr hohen Schwerpunkt. Je höher dieser ist, desto leichter kommt das Fahrzeug aus der Bahn und kann schlimmstenfalls sogar kippen – etwa bei einem plötzlichen Ausweichmanöver. Um den Camper stabiler zu machen, sollte der Schwerpunkt so weit wie möglich nach unten verlagert werden. Schwere Gegenstände wie Koffer oder Kühlboxen sollten im unteren Teil verstaut werden, leichte Dinge wie Kleidung oder Putzutensilien oben. Allgemein raten die Experten, so wenig Ladung wie möglich an Bord zu haben: Das macht das Wohnmobil leichter und das Risiko, das zulässige Gesamtgewicht zu überschreiten, sinkt ebenfalls – und damit auch die Gefahr einer Busse (auch interessant: Übergewicht kann teuer werden).

Wohnmobile erlebten in den letzten Jahren, vor allem seit der Corona-Pandemie, einen regelrechten Boom.
Foto: zVg
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Tipp 2: Gut sichern

Ausserdem sei es enorm wichtig, die Gegenstände im Innenraum sowie am Fahrzeug selbst gut zu sichern. Bei Ausweichmanövern oder Unfällen können umherfliegende Dinge ansonsten zu tödlichen Projektilen werden. Schon beim Crash mit 60 km/h in einen stehenden LKW fliegen Töpfe, Besteck und Gläser wie Geschosse durchs Innere. Sogar fest eingebaute Tische und Schrankwände reisst es teilweise aus der Halterung – die Verletzungsgefahr für Passanten an Bord ist enorm.

Doch auch ausserhalb des Wohnmobils befestigtes Sperrgut wie Surfbretter auf dem Dach oder E-Bikes am Veloträger können bei einem Crash zur erheblichen Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden, wenn sie sich lösen und unkontrolliert herumfliegen.

Tipp 3: Korrekt sitzen

Eine korrekt fixierte Ladung nützt aber nichts, wenn die Fahrzeuginsassen während der Fahrt keine korrekte Sitzposition einnehmen. Beim Crashtest am DTC ist die Fahrerin des Campers zwar wie vorgeschrieben angeschnallt, doch hat ihr Beifahrer zur Entlastung seine Beine aufs Armaturenbrett gelegt – das ist vielleicht gemütlich, aber auch brandgefährlich. Zudem sind eine weitere Person unangeschnallt am hinteren Tisch sowie eine Person in der Schlafkabine ungesichert an Bord – ein Hund schläft auf dem Sofa, statt gesichert in einer befestigten Box untergebracht zu sein.

Kein Wunder, herrscht nach dem Aufprall auf den LKW mit 60 km/h totale Verwüstung: Die Lenkerin wird durch die Wucht des Aufpralls vom Motorenblock eingeklemmt, dem Beifahrer staucht es die Beine zusammen, den schlafenden Passagier schleudert es heftig an die Wand. Trotz schwerer Verletzungen hätten aber wohl alle drei überlebt. Anders die hintere, nicht angeschnallte Person samt ihrem Hund: Sie werden derart heftig gegen die Innenwände geschleudert, dass sie auf der Stelle tot gewesen wären – zum Glück handelte es sich bei den Insassen nur um Crashtest-Dummys.

Tipp 4: Neuer ist besser

Statt sich ein neues, teils horrend teures Wohnmobil anzuschaffen, weichen viele Interessenten auf alte Modelle vom Occasionsmarkt aus (auch interessant: Diese Fehler machst du beim Camperkauf). Diese sind zwar meist deutlich günstiger und bieten obendrein Retro-Charme für Stylebewusste, können bei einem Crash aber schnell ganz schön alt aussehen, wie ein Vergleich verschiedener Fahrzeuge bei Vollbremsungen zeigt. Während ein PW und ein Wohnmobil mit moderner Technik und Fahrassistenten auf Asphalt und Gleitbelag fast am selben Punkt zum Stillstand kommen, weist das veraltete Wohnmobil ohne ABS und ESP einen erheblich längeren Bremsweg auf. Sind dann auch noch Reifen und Bremsanlagen wie beim Crash-Fahrzeug in die Jahre gekommen, kann schon eine simple Vollbremsung im Fiasko enden.

«Es war schnell ersichtlich, dass Defizite bei Reifen und Bremsanlage unter anderem aufgrund von Alter, Qualität und Wartungszustand auch zu einem längeren Bremsweg führen können. Die Masse des Fahrzeugs hat bei einer gut gewarteten Bremsanlage hingegen keinen direkten Einfluss auf die Länge des Anhaltewegs», so Daniel Junker, Leiter Fahrzeugexperten bei Baloise. «Ein Reisemobil sollte vor jeder Reise geprüft werden und sich technisch in einwandfreiem Zustand befinden.»

Tipp 5: Genug Zeit einrechnen

Wie bei allen Dingen gilt auch bei Campern: Übung macht den Meister. Wer nur ein- oder zweimal im Jahr verreise, dem fehle häufig die Routine: «Viele Lenker sind sich die Dimensionen und das Gewicht der Fahrzeuge nicht gewohnt» erklärt Albin Hugentobler (46) von der Kapo Basel–Stadt. «Umso wichtiger ist es, sich vorgängig mit dem Wohnmobil vertraut zu machen und genügend Zeit für die eigentliche Fahrt einzurechnen.» Insbesondere Übermüdung, aber auch fehlende Ladungssicherung und Überladung seien bei Reisemobilien grosse Risikofaktoren. Dessen sollten sich ferienhungrige Camper stets bewusst sein.

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