Immer unzuverlässiger
Klimaschutz verlangt gute Züge

Zugverbindungen in der Westschweiz fallen immer wieder aus oder sind stark verspätet. Das, obwohl ein gut funktionierender öffentlicher Verkehr für den Klimaschutz unverzichtbar ist.
Publiziert: 12.11.2023 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2023 um 11:13 Uhr
Sonia I. Seneviratne

Die Schweiz ist weltbekannt für ihre Züge: Sie fahren fast überall hin, auch in die hintersten Täler und Bergdörfer, es gibt regelmässige Verbindungen, und die Züge kommen immer rechtzeitig an. Das zumindest ist das etablierte Bild, und das sind auch die Erwartungen. Leider entsprechen sie nicht mehr ganz der Wirklichkeit. 

Die Umbauarbeiten am Bahnhof Lausanne haben sich derart verzögert, dass sie jetzt erst Mitte 2030 fertig sein sollen. Zwischen Genf und Lausanne kommt es regelmässig zu Unterbrüchen, letztens am Donnerstag, 9. November, dem Zukunftstag. Wie viele Eltern war ich gemeinsam mit meiner Tochter in dieser Gegend mit dem Zug unterwegs. Auf der Rückreise nach Zürich hatten wir nach vielen Umwegen eineinhalb Stunden Verspätung.

Das Problem wurde nicht von den SBB direkt verursacht, sondern von Dritten, die Bauarbeiten in der Nähe vom Bahnhof Renens VD durchführten. Aber wie vor zwei Jahren, mit dem sogenannten Loch von Tolochenaz VD, war der Grund für die Verspätungen der gleiche. Es gibt keine dritte Parallel-Zugstrecke zwischen Genf und Lausanne, die den Verkehr bei Unterbrüchen entlasten kann. Statt eine solche Strecke zu bauen, hat der Bundesrat entschieden, einen zusätzlichen kleinen Parallel-Tunnel von neun Kilometern zwischen Morges und Perroy zu bauen, der erst zwischen 2035 und 2040 fertig sein wird. Dies hätte am Donnerstag gar nicht geholfen, da Renens nach dieser Strecke – aber vor Lausanne – liegt. Bei einer Strecke Lausanne–Genf, die täglich von 60'000 Reisenden befahren wird, braucht es mehr Sicherheit sowie die Möglichkeit, bei Unterbrüchen den Zugverkehr über die ganze Strecke zu gewährleisten.

Der Klimaschutz benötigt zuverlässige Zugverbindungen, sagt ETH-Klimawissenschaflterin Sonia I. Seneviratne.
Foto: imago images/Geisser

Obwohl die Lage beim Zugverkehr zwischen Lausanne und Genf kritisch bleibt und sich erst Mitte 2030 verbessern wird, plant jetzt der Bundesrat, die Autobahn zwischen den zwei Städten von vier auf sechs Spuren zu verbreitern. Dafür gibt es anscheinend genug Platz, während es beim negativen Bundesratsentscheid über eine dritte Zugstrecke am gleichen Ort hiess, dass dies nicht möglich sei, da sie «durch ein dicht besiedeltes Gebiet geführt hätte, [und] wahrscheinlich viele Einwände hervorgerufen hätte».

Zugreisen sind die Lösung par excellence für eine effiziente, CO₂-freie Mobilität zwischen Städten. Trotz der jetzigen Lage ist es in der Regel schneller, mit dem Zug von Lausanne nach Genf oder von Bern nach Zürich zu fahren. Aber die Zuverlässigkeit ist zentral beim Mobilitätsangebot. Während der Zugverkehr in der Deutschschweiz effizient ist, verschlechtert sich die Lage in der Westschweiz ständig, und Verbesserungen werden erst in mehr als zehn Jahren versprochen. In der Klimakrise genügt eine Pflästerli-Politik beim Zugverkehr nicht. Ein effizienter und verlässlicher Zugverkehr in der ganzen Schweiz ist wichtig: Für einen erfolgreichen Klimaschutz im Land – und auch, damit die Schweiz ihrem Ruf als Zugverkehrsreferenz treu bleibt.

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