Zoologisch – Direktor Severin Dressen erklärt
Wenn der Tierpfleger klingelt

Severin Dressen (32) ist Direktor des Zoo Zürich und kennt die wilden Geheimnisse seiner Bewohner.
Publiziert: 28.03.2021 um 18:50 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2021 um 16:19 Uhr
Severin Dressen

Frühmorgens in der Savanne. Die Sonne geht auf. Antilopen und Zebras grasen neben Nashörnern. Giraffen ziehen auf der Suche nach Futter von Baum zu Baum. In der Ferne hört man Elefanten trompeten und Löwen brüllen – die Natur erwacht.

Auf einmal heben die Zebras den Kopf und lauschen. Alle anderen Tiere lassen sich nicht beim Fressen stören. Doch wenn man sich anstrengt und gut hinhört, kann man ganz leise ein Klingeln hören. Die Zebras haben mit dem Fressen aufgehört. Als Einzige. Sie lassen Antilopen und Nashörner beim Grasen zurück und nähern sich zielstrebig der Quelle des Klingelns. Sie verschwinden hinter einem Hügel auf der Suche nach dem Klingeln.

Freiwillig aus der Savanne in den Stall

Was sich wie eine unglaubwürdige Geschichte anhört, ist doch Realität. Denn wir sind nicht in der Savanne in Afrika, sondern in der Lewa Savanne im Zoo Zürich. Hier leben seit letztem Jahr verschiedene Tierarten gemeinsam in der gleichen grossen Anlage zusammen. Das bringt einige Herausforderungen mit sich. Die Lewa Savanne ist so gross wie drei Fussballfelder. Da kann man leicht den Überblick über die einzelnen Tiere verlieren. Trotzdem müssen wir sicherstellen, dass es all unseren Tieren gut geht, sie gesund sind und genug fressen. Auf einer so riesigen Fläche mit vielen verschiedenen Tieren ist das schwierig. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Tiere zur Kontrolle in den Stall kommen. Hier können die Tierpfleger gut sehen, ob die Tiere gesund und munter sind.

Um kontrollieren zu können, ob die Tiere gesund sind, kommen die Zebras der Lewa Savanne beim Klingeln angetrabt.
Foto: Zoo Zürich
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Doch wie bringt man die Tiere dazu, freiwillig von der Savanne in den Stall zu kommen? Dazu zwingen können (und wollen) wir sie nicht. Deshalb trainieren wir die Tiere auf ein Geräusch. Immer, wenn die Tiere dieses Geräusch hören, denken sie an Futter. Und zwar zu Recht. Denn ganz am Anfang, wenn die Tiere bei uns einziehen und die ersten Wochen drinnen sind, gewöhnen wir sie an das Geräusch. Jedes Mal, wenn es Futter gibt, hören sie das Geräusch. Irgendwann wissen die Tiere, dass wenn das Geräusch kommt, es auch Futter gibt.

Jeder Tierart ihr eigenes Geräusch

Wenn das klappt, dürfen sie auf die grosse Aussenanlage. Hier warten viel anderes Futter und die anderen Tiere auf sie und bieten so ganz viel Ablenkung. Trotzdem klappt es meistens gut, und die Tiere kommen zurück, sobald sie ihr Geräusch hören. Manchmal müssen wir auch in die Trickkiste greifen. Wenn die Tiere nur sehr zögerlich kommen, kriegen sie ein Leckerli. Das schmeckt besonders gut, ist aber nicht ganz so gesund – wie bei uns die Schokolade. Dafür haben die Tiere beim nächsten Mal dann besonders viel Lust zurückzukommen.

Jede Tierart hat ihr eigenes Geräusch – sonst würde das System nicht funktionieren, und es kämen alle Tiere gleichzeitig hinein. Bei den Zebras ist das Geräusch eben eine kleine Klingel, bei den Giraffen eine Rassel usw.

Von alledem bekommen unsere Gäste aber fast nie etwas mit. Wir machen die Kontrollen am frühen Morgen, wenn der Zoo noch geschlossen ist. Nach wenigen Minuten ist die Kontrolle für jede Tierart vorbei, und alle Tiere sind wieder zusammen in der Savanne. Bis zum nächsten Morgen, wenn die Klingel läutet.

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