Präsident des ETH-Rates Michael Hengartner erklärt
Das Benzin der Zukunft

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft.
Publiziert: 20.06.2020 um 13:06 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2020 um 16:23 Uhr

Das Problem ist bekannt: Wenn wir so weitermachen wie heute, fahren wir das Klima an die Wand. Rekordsommer reiht sich an Rekordsommer, und die Gletscher schmelzen und schmelzen. Wir müssen dringend weniger Treibhausgase produzieren. Aber wie?

Ein Bereich, der sehr viel CO2 ausstösst, ist der Verkehr. Ich persönlich sehe das als Chance: Schon kleine Verbesserungen können hier eine grosse Wirkung entfalten. Von grossen Verbesserungen ganz zu schweigen. Gerade bei der Mobilität lohnt es sich also zu forschen und zu investieren. Und es gibt Forschende, die bereits heute zeigen, wie wir vom Erdöl wegkommen können!

Die schnellste Lösung sind Elektroautos. Diese sind zwar nur so sauber wie der Strom, mit dem man sie tankt, und bei der Herstellung sind sie sogar umweltschädlicher als herkömmliche Autos. Auf ihre Lebensdauer gerechnet können sie aber, mit dem richtigen Strom-Mix, die Benziner um Längen schlagen. Schon heute ist der Schweizer Strom relativ umweltfreundlich (wir haben über 60 Prozent Wasserkraft), und er wird in den kommenden Jahrzehnten noch grüner. Das beste an den E-Autos ist aber, dass es sie schon jetzt zu kaufen gibt.

Michael Hengartner (53) ist Präsident des ETH-Rats und Kolumnist im SonntagsBlick Magazin. Zuvor war der Biochemiker Rektor der Universität Zürich.
Foto: Nathalie Taiana
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Batterien eignen sich gut für kurze Strecken. Für lange Distanzen, sei es auf der Strasse oder in der Luft, wird es aber weiterhin Treibstoff brauchen. Darum tüfteln Forschende an der Herstellung von CO2-neutralen Treibstoffen. Diese könnten fossiles Kerosin, Benzin und Diesel eines Tages ersetzen. An der Empa in Dübendorf ZH wurde bereits 2015 eine Wasserstoff-Tankstelle eingeweiht. Nun geht die Empa einen Schritt weiter und stellt aus erneuerbarem Strom, Wasser und CO2 aus der Luft synthetisches Methangas her. Dieses dient erstens der Speicherung der Energie (im Hochsommer haben wir viel Solar-Power, brauchen aber gar nicht so viel Strom) und zweitens als Treibstoff für Lastwagen. Partner aus Industrie, Energiebranche und Logistik sind bereits mit im Boot: So will beispielsweise Lidl seine Schweizer Filialen künftig CO2-neutral beliefern. Dank des Öko-Treibstoffs aus Dübendorf.

Fast schon poetisch klingt die Technik von ETH-Professor Aldo Steinfels. Er macht aus Licht und Luft Energie. Dazu bündelt er Sonnenlicht mit Spiegeln so stark, dass im Brennpunkt 1500 °C herrschen. Bei diesen Temperaturen reagieren Wasser und CO2 aus der Luft miteinander, und es entstehen klimaneutrale Treibstoffe. Sein ehemaliger Mitarbeiter Philipp Furler hat nun Synhelion gegründet, ein Spin-off, mit dem er diesen Treibstoff marktfähig machen will. Auch er hat bereits prominente Partner an Bord. Der Flughafen Zürich hat in den letzten Wochen eine Vereinbarung mit der Synhelion abgeschlossen. Auch die Swiss ist an der Technologie interessiert.

Sie sehen also: Schon heute arbeiten kluge Köpfe erfolgreich an neuen Treibstoffen. Und im kleinen Stil ist es bereits jetzt möglich, klimaneutrales «Benzin» herzustellen. Als Nächstes wird es darum gehen, die Produktion zu steigern und die Technik so zu verbessern, dass die Kosten sinken. Damit wir möglichst bald unterwegs sein können, ohne die Umwelt zu belasten.

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