Reha-Klinik schmeisst Aargauer Rollstuhlfahrer Bruno Hartmeier raus – wegen Krankenkasse
«Weil sie so geizig sind, muss ich gelähmt bleiben!»

Wegen eines Anfalls ist Bruno Hartmeier (61) seit zwei Wochen teilweise gelähmt. Aber seine Krankenkasse Concordia weigert sich, die Kosten für die Reha zu übernehmen. Nun befürchtet er für immer im Rollstuhl zu sitzen.
Publiziert: 23.08.2024 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2024 um 10:29 Uhr
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Gina KrücklReporterin

Bruno Hartmeier (61) aus Benzenschwil AG ist wegen eines Anfalls seit zwei Wochen teilweise gelähmt und sitzt im Rollstuhl. Nachdem er fünf Tage im Kantonsspital Aarau stabilisiert wurde, kam er vergangenen Woche in die Reha-Klinik in Bad Zurzach AG, um dort wieder die Kontrolle über seinen Körper zu gewinnen. Doch am Montag der Schock: Laut dem Reha-Personal will Hartmeiers Krankenkasse Concordia nicht für seine Behandlung dort zahlen. «Sie sagten, ich muss entweder 750 Franken pro Tag selber zahlen oder noch heute gehen.»

Wohin er gehen soll – das konnte Hartmeier niemand sagen, wie er im Gespräch mit Blick erzählt. «Sie meinten, ich könnte ja nach Hause gehen. Aber ich kann nicht mal allein aufs Klo, wie soll das gehen?» Auch den Vorschlag, in ein Pflegeheim zu gehen, lehnt er ab, da er nach einem früheren Anfall schlechte Erfahrungen gemacht hat. «Sieben Wochen dort kosteten 12'000 Franken. Trotzdem wurde nichts dafür getan, dass ich meinen Körper wieder kontrollieren kann. Ich will nicht für immer im Rollstuhl sitzen.»

Bruno Hartmeier ist durch einen Epilepsie-ähnlichen Anfall vor zwei Wochen teilweise gelähmt und sitzt seither im Rollstuhl. Er will so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommen, doch dann wird er plötzlich aus der Reha geschmissen.
Foto: Gina Krückl
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Schon zu oft in der Reha

Als Hartmeier bei der Concordia nachfragt, ist er von der Antwort empört: «Sie sagten mir, dass die Reha offensichtlich nichts bringe, weil ich schon zu oft wegen einer durch meine Anfälle ausgelösten Lähmung hier war. Weil sie so geizig sind, muss ich gelähmt bleiben!» Doch der Rollstuhlfahrer weigert sich, die Reha-Klinik zu verlassen. Die gesetzte Frist wird verschoben und am Dienstagabend wird Hartmeier zurück ins Kantonsspital Aarau gebracht.

Auf Anfrage von Blick bestätigt die Concordia, dass sie nicht für den Reha-Aufenthalt von Hartmeier zahlen will. Sie stützt diesen Entscheid auf ein Bundesgesetz, gemäss dem Leistungen nur gezahlt werden, wenn sie «wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich» sind. Dies sei in der aktuellen Situation nicht der Fall, schreibt Concordia. «Herr Hartmeier wurde von 2022 bis heute bereits sechs Mal für je mehrere Wochen rehabilitiert. Eine erneute stationäre Behandlung ist nicht nachhaltig wirksam.»

Die Epilepsie-ähnlichen Anfälle hat Bruno Hartmeier seit seiner Kindheit. Dank einer frühen Behandlung sind sie glücklicherweise den grössten Teil seines Lebens nur schwach. «Durch den Stress meiner Scheidung im Jahr 2009 wurden aber leider mehrere grössere Anfälle ausgelöst.» Eine Gehirn-Operation brachte ihm zehn Jahre Ruhe. Doch 2020 wurde er von einem Auto angefahren, seither habe er wieder regelmässig Anfälle.

Hartmeiers letzter grosser Anfall vor dem aktuellen war im Dezember 2023. Nach einer Odyssee durch verschiedene Heime landete er im März in der Reha-Klinik Bad Zurzach. «Ich war dort jeden Tag in der Therapie. Nach acht Wochen konnte ich ohne Probleme selbst aus der Tür laufen und wieder nach Hause gehen.» Vermutlich der Grund dafür, wieso er so zügig vom Kantonsspital in die Klinik verlegt wurde, als dort ein Platz frei war.

Illegale Überweisung in Reha-Klinik

Laut der Concordia muss vor dem Antritt einer stationären Rehabilitation eine Kostengutsprache dafür eingeholt werden. Dies sei nicht passiert, was illegal sei. Sowohl das Kantonsspital als auch die Klinik würden die Verantwortung dafür abstreiten.

Wie es jetzt für Bruno Hartmeier weitergeht, ist unklar. Er rechnet damit, vorerst im Kantonsspital zu bleiben – und die Kosten von 1000 Franken am Tag selbst zahlen zu müssen. Langfristig gesehen liegen Hartmeiers Hoffnungen in einer erneuten Operation. «Damit wäre ich hoffentlich wieder mindestens zehn Jahre ohne grössere Anfälle.» Vor dem ganzen Umzugsdrama war bereits ein Abklärungstermin gesetzt, der mittlerweile ungenutzt verstrichen ist. «Ich muss mich darauf fokussieren, dass ich bald mit einer geeigneten Therapie anfangen kann. Ich will so schnell wie möglich wieder selbstständig sein.»

Die Concordia empfiehlt, dass Hartmeier möglichst bald in eine Pflegeinstitution überwiesen wird und dort die notwendigen Therapien erhält. «Wie genau die Behandlung aussieht und wo sie stattfindet, müssen Hartmeiers Ärzte abklären. Insbesondere auch, wie seine Anfälle langfristig verhindert werden können.»

Weder das Kantonsspital Aarau noch die Reha-Klinik Bad Zurzach wollen sich trotz Entbindung von der Schweigepflicht auf Anfrage von Blick zu den Vorwürfen äussern.

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