Mund halten!
Pfiffe der Saudis kann man auch als Warnung verstehen

Warum die Supercup-Turniere der Spanier und der Italiener in der Wüste stattfinden. Und was die Pfiffe gegen Toni Kroos zu bedeuten haben.
Publiziert: 16.01.2024 um 14:43 Uhr
|
Aktualisiert: 16.01.2024 um 14:44 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_421.JPG
Patrick MäderAutor Blick Sport

Am Sonntagabend habe ich mich hinreissen lassen. Ich schaute auf Sky den Clásico Real gegen Barça, der in Riad ausgetragen wurde. Das klingt schon fremd und ist es auch. Spanischer Supercup in Saudi-Arabien – für das Königreich ein teuer erkaufter Image-Gewinn durch Sportevents. Angeschaut habe ich mir das Spiel, weil ich wissen wollte, ob die Fans im Stadion tatsächlich Reals Regisseur Toni Kroos (34) auspfeifen – so wie offenbar schon im Halbfinal gegen Atlético.

Ja, sie haben es wieder getan. Und zwar vom ersten Ballkontakt an bis weit über das Ende der Partie hinaus, als die Spieler beider Teams verloren auf dem Spielfeld standen und warteten, bis die Bühne für die Pokalübergabe bereitgestellt war, die mit einem überrissen-pompösen Feuerwerk abgerundet wurde.

Kroos reagiert mit Ironie

Toni Kroos, das ist der mit den millimetergenauen Pässen, der deutsche Taktgeber bei Real, «ein Landvermesser», wie Marcel Reif sagt. Ein Mann mit eigener Meinung. Der Deutsche lächelte ins Rund des Stadions, winkte via Platzkamera den Fans zu. «Amazing crowd», tolles Publikum, schrieb Kroos bereits nach dem Halbfinal auf X ironisch. «Das hat heute grossen Spass gemacht.»

Eine Szene, die zu reden gibt: Kroos wird bei seiner Auswechslung von gellenden Pfiffen begleitet. Modric bekommt bei seiner Einwechslung riesigen Applaus.
Foto: Getty Images
1/6

Die Transferoffensive der Saudis im Fussball sieht Kroos kritisch. Gerade jüngere Spieler, die noch voll im Saft sind, sollten nicht nur aufs Geld schauen. Er selber würde nie dahin wechseln, sagte er im Sommer. Offenbar wurde er gehört von den Saudis. Die Pfiffe und Buhrufe gelten seiner kritischen Einstellung. Mund halten! ist wohl die Botschaft. Die Saudis, die so stolz auf ihre Kultur sind, fühlen sich von solche Aussagen offensichtlich in ihrer Ehre verletzt. 

Riesiger Applaus für Modric

In der 81. Minute konnten sie ihre Botschaft nochmals lautstark anbringen. Da wurde Kroos ausgewechselt, ein gellendes Pfeifkonzert begleitete ihn, als er aufreizend gemächlich Richtung Bank spazierte. Er wurde ersetzt durch einen anderen Real-Altstar. Luca Modric (38), der seit längerer Zeit mit einem Wechsel in die Wüste flirtet. Für den Kroaten gab es riesigen Applaus.

Ausgebuht werden ist für niemanden angenehm und der eine oder andere Fussballer, der sich Hoffnungen auf die Teilnahme an der WM 2034 in Saudi-Arabien macht, wird sich wohl gut überlegen, ob er öffentlich etwas Kritisches über das Land sagt, das die Menschenrechte mit Füssen tritt. Die Pfiffe gegen Kroos waren ein Vorgeschmack, den man sowohl als Warnung verstehen kann, als auch als Ausdruck von Meinungsfreiheit. Die Fussballstars werden von den saudischen Fans nicht nur verehrt, sondern auch kritisch bewertet.

Sarri bringt den Zwiespalt auf den Punkt

Der spanische Supercup ist mit dem Sieg von Real zu Ende gegangen, die vier Klubs sind mit Millionen im Gepäck nach Hause geflogen. Schon sind die nächsten auf dem Flug in Richtung Saudi-Arabien. Rund 120 Spieler werden gerade nach Riad verfrachtet, wo die Teams von Inter, Napoli, Fiorentina und Lazio nach spanischem Vorbild in Halbfinals und Final ab Donnerstag den Sieger der Supercoppa Italiana ausspielen. Fussball absurd, Teil 2. Sowohl Florenz als auch Neapel weigerten sich zuerst, nach Saudi-Arabien zu reisen, wollten lieber zu Hause spielen. Doch der italienische Verband drohte beiden Teams mit hohen Geldstrafen und Ersetzung. Also lenkten alle ein.

Lazio-Trainer Maurizio Sarri (65), auch er ein Mann der klaren Worte, bringt den Zwiespalt auf den Punkt: «Bei diesem Turnier geht es nicht um Sport, sondern um etwas anderes. Wir werden spielen, das Geld nehmen und wieder verschwinden. Wenn das die Zukunft des Fussballs ist, bin ich froh, dass ich schon alt bin.» Ob Sarri jetzt auch ausgepfiffen wird von den saudischen Fans?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?