2012 im Kanu, 2024 auf dem Velo: Die irre Olympia-Geschichte von Chabbey (31)
Pedale statt Paddel

Elise Chabbey (31) ist nach dem Ausfall von Marlen Reusser (32) der Schweizer Trumpf im Strassenrennen. Reichts für eine Medaille? In die Geschichtsbücher geht sie so oder so ein.
Publiziert: 04.08.2024 um 08:56 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2024 um 08:57 Uhr
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Mathias GermannReporter Sport

Rad-Profi Elise Chabbey muss lachen. «Ich werde langsam, aber sicher alt», sagt sie. Das stimmt so natürlich nicht, die Genferin ist erst 31-jährig. Anderseits rührt ihr Gefühl nicht von ungefähr: 2012 in London war sie gerade einmal 19-jährig, als sie ihre ersten Sommerspiele bestritt.

Speziell dabei: Chabbey war damals nicht wie heute auf dem Velo und geteerten Strassen unterwegs. Nein, sie steuerte im Kanu durch einen Wildwasserkanal. «Das Leben im Olympischen Dorf war super, die Atmosphäre genial. Aber beim Wettkampf konnte ich mit dem riesigen Druck nicht umgehen», erinnert sie sich. Die Folge: Chabbey belegte im Einer-Kajak nur den 20. Rang.

Sie riskiert viel und gewinnt selten – bis Olympia?

Nach diesem ersten und prägenden Olympia-Erlebnis legte Chabbey die Paddel zur Seite. Sie wurde Langstreckenläuferin, machte dies aber mehr aus Spass. Etwas anderes wäre auch gar nicht möglich gewesen, paukte sie doch wie verrückt, um ihr Medizinstudium zu beenden. Sie bestand es mit Bravour.

2012 war Elise Chabbey noch mit dem Kanu bei den Olympischen Sommerspielen unterwegs. Und heute?
Foto: Keystone
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Körperlich untätig war sie dennoch nicht: Sie gewann zwischendurch einen Halbmarathon in Genf. 2016 entschied sich Chabbey dann für den Radrennsport, zwei Jahre später erhielt sie bei Cogeas-Mettler ihren ersten Vertrag. Nach und nach wurde auch im Peloton klar, welche Qualitäten die zierliche Schweizerin auszeichnet: Sie ist enorm tempostark, gut am Berg (wenn er nicht zu steil und lang ist) und hat die Fähigkeit, sich besonders stark zu quälen. Und: Sie ist eine der offensivsten Fahrerinnen überhaupt. Das Problem: Chabbey ist oft vorne dabei, gewinnt aber nur selten.

Schweizer Motto: Alle für eine!

«Vielleicht klappt es ja jetzt. Ich will eine Medaille», kündigt Chabbey vor ihren ersten Sommerspielen als Velofahrerin an. Nach dem Ausfall von Teamleaderin Marlen Reusser (32) hat sie genau diese Rolle übernommen. Helfen werden ihr bei diesem Unternehmen Noemi Rüegg (23), Linda Zanetti (22) und Elena Hartmann (30) – die Schweiz hat beim Strassenrennen das maximale Kontingent von vier Athletinnen. «Andere Fahrerinnen sind stärker als ich. Also werde ich wie immer versuchen, zu attackieren», kündigt Chabbey an. Genau das ist ihr Stil, genau so fährt sie.

Chabbey zieht alles durch

Ob es letztlich für Edelmetall reichen wird? Die Schweizer Chancen wären deutlich grösser, würde auch Reusser in Paris starten. Doch mit dem Konjunktiv konnte Chabbey sowieso noch nie viel anfangen. Sie tut das, wonach ihr ist – in voller Konsequenz.

Sicher ist schon jetzt: Sie wird als eine der ganz wenigen in die Geschichte eingehen, die in zwei völlig unterschiedlichen Sportarten an Sommerspielen teilnehmen konnte. Das wird ihr niemand nehmen können.

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