Bissegger und Küng in Paris schlicht zu wenig gut
«Die Rechnung fällt ziemlich happig aus»

Stefan Bissegger (6.) und Stefan Küng (8.) holen im Olympia-Zeitfahren je ein Diplom. Was fehlte ihnen für den grossen Coup?
Publiziert: 27.07.2024 um 21:11 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2024 um 12:29 Uhr

Es ist nicht knapp. Im Gegenteil. Stefan Bissegger (25) fehlt als Sechster eine Minute für die Bronzemedaille. Bei Stefan Küng (30), der Achter wird, sind es gar eineinhalb Minuten. «Die Rechnung fällt ziemlich happig aus», gibt Küng (30) zu. Bissegger meint: «Dafür bin ich nicht hierhergekommen.» Beide sind an diesem regnerischen Tag in Paris schlicht zu wenig gut für eine Medaille.

Nun war es nicht so, dass die beiden Thurgauer vor dem Rennen zu den Top-Favoriten gezählt hätten. Bissegger sagt auch jetzt, völlig zu Recht: «Zwei Diplomplätze, dafür müssen wir uns nicht verstecken.» Aber eben: Wer wie er mit der Ankündigung an die Sommerspiele fährt, Olympiasieger oder zumindest eine Medaille holen zu wollen, muss damit leben, dass man ihn daran misst. Und wenn Küng drei Tage vor dem Rennen sagt, dass er ein Diplom sicher nicht an die Wand hängen würde, erhoffen sich auch die Schweizer Sportfans mehr.

«Das haben andere besser gemacht»

Ausreden suchen weder Bissegger noch Küng. «Die Stoppuhr lügt nicht», sagt Letzterer. Erklärungen für ihren medaillenlosen Tag gibt es dennoch. Küng stieg wegen einer Krankheit vorzeitig aus der Tour de France aus. Auch zu Hause war er nicht fit – er konnte weder trainieren noch sich richtig erholen. «Und dann hatte ich in den letzten Tagen auch noch Magenprobleme. Mir fehlte das hundertprozentige Vertrauen, das ich gebraucht hätte.»

Ausgepumpt: Stefan Küng fehlt das hundertprozentige Vertrauen, um in Paris eine Medaille zu holen.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Gleiches gilt auch für Bissegger – aber nicht, weil er wie Küng krank gewesen wäre. «Ich hatte sehr gute Beine», sagt er. Woran lag es dann? «Bei den Frauen sind viele gestürzt, das hat mich verunsichert. Bei einigen Kurven fuhr ich zu langsam, bei anderen bin ich gerutscht – da war ich zu schnell. Andere haben das besser gemacht.»

Damit meint er vor allem Remco Evenepoel (24), den belgischen Rad-Teufel. Nach dem WM-Titel 2022 holt er nun Olympiagold. Silber geht an Filippo Ganna (28, It), Bronze an Wout van Aert (29). Der als Top-Favorit gehandelte britische Jungstar Joshua Tarling (20) hat Defekt und muss das Velo wechseln – dennoch fehlen ihm letztlich nur zwei Sekunden zu Bronze.

Fehlt die Klasse?

Zurück zu den beiden Stefans. Auf die Frage, ob ihnen in Anbetracht des hohen Niveaus ihrer prominenten Gegner die Klasse fehle, um dagegenzuhalten, antworten sie unterschiedlich. Bissegger: «Womöglich sind sie einfach besser. Manchmal muss man diese Dinge akzeptieren.» Küng meint: «Ich wurde zweimal Europameister und habe bei Weltmeisterschaften Silber und Bronze geholt. Den Beweis, dass ich alle schlagen kann, habe ich geliefert.»

Stimmt. Fakt ist allerdings auch, dass bislang keiner von ihnen einen Klassiker oder eine Grand-Tour-Etappe gewonnen hat. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. Auch bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften standen sie noch nie auf dem obersten Treppchen. Bissegger: «Wir sind vielleicht keine Ausnahmetalente, aber trotzdem weit oben angesiedelt. Wir warten einfach auf unsere Chance, und irgendwann muss es mal klappen.»

Es gibt nichts, was man sich aus Schweizer Velo-Sicht mehr wünschen würde – am liebsten schon im kommenden September bei der Heim-WM in Zürich.

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