«Das Verhalten des Verbands war skandalös»
Gefallener Schwing-Held Grab packt nach Doping-Sperre aus

Gut zwei Jahre sind seit der positiven Doping-Probe von Martin Grab vergangen. Der Fall beschäftigt den 41-Jährigen seither jeden Tag, wie er im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» verrät. Er kritisiert den Verband und Antidoping Schweiz scharf.
Publiziert: 25.08.2020 um 09:46 Uhr
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Aktualisiert: 24.12.2020 um 12:41 Uhr

Martin Grab (41) war eine der ganz grossen Figuren im Schwingsport. Er gewann in seiner Karriere unter anderem den Expo-Schwinget 2002 sowie den Unspunnen-Schwinget 2006 und sammelte 123 Kränze. 2010 stand er im Schlussgang des Eidgenössischen.

2018 dann erschütterte der Dopingfall Grab die Schwinger-Szene. Im Juli kommt raus, dass bei einem Dopingtest die verbotene Substanz Tamoxifen in Grabs Blut nachgewiesen wurde. Ein Wirkstoff, der bei Brustkrebs-Patientinnen eingesetzt wird. Auf der Dopingliste steht es, weil es dazu missbraucht wird, anabole Steroide zu maskieren und Nebenwirkungen zu minimieren. Leistungssteigernd wirkt es hingegen nicht. Im August 2019 wurde Grab dann für zwei Jahre gesperrt.

«Ich hatte Hoffnung, dass die B-Probe negativ ist»
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Martin Grab nach der positiven B-Probe:«Ich hatte Hoffnung, dass die B-Probe negativ ist»

In einem Interview mit dem «Tages Anzeiger» spricht Grab nun über die vergangenen zwei Jahre und wie sehr er wegen der Doping-Sperre durch die Hölle musste. Er beteuert weiterhin seine Unschuld.

Martin Grab hadert über zwei Jahre nach dem positiven Doping-Test noch immer mit dem Schicksal. «Ich bin doch kein Riesenarsch, der diese Geschichte verdient», sagt er.
Foto: keystone-sda.ch
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Martin Grab darüber, wie sehr ihn die Dopingsperre noch heute beschäftigt:
«Ich frage mich: Wieso ich? Wieso ist mir das passiert? Ich bin doch kein Riesenarsch, der diese Geschichte verdient. Ich stehe auf der Stufe der überführten Spitzenvelofahrer. Aber ganz ehrlich: Ich habe auch so gedacht. Hörte ich von einem Dopingfall und den Erklärungen, war ich meistens sicher: Ausreden, Quatsch! Bitter ist, dass die Meinungen gemacht sind. Daran würde nicht einmal mehr etwas ändern, sollte ich doch noch alles beweisen können. Der Dopingfall beschäftigt mich jeden Tag – seit über zwei Jahren.»

... über seine Unschuld:
«Fakt ist, dass keine leistungsfördernde Substanz in meinem Körper gefunden worden ist. Im Gegenteil, der eruierte Wirkstoff Tamoxifen macht eher schläfrig. Die Sperre habe ich akzeptiert, weil ich keine andere Wahl hatte. Es war hoffnungslos.

... über unglaubwürdige Ausreden:
«Gemäss Studien der Universität Lausanne kann Tamoxifen im Wasser vorkommen. Hätte ich das gesagt, wäre ich verrissen worden. Ausgerechnet der Grab soll solches Wasser getrunken haben – das hätte lächerlich gewirkt. Nicht einmal ich glaube das.»

... über Erklärungsansätze:
«Im engeren Umfeld gab es Krebspatienten, sie nahmen Mittel mit der entsprechenden Substanz ein. Vielleicht kam die Verbindung so zustande. Dann meldete sich ein Arzt, der von meinem Fall erfahren hatte (...) er erwähnte die Möglichkeit der körpereigenen Produktion (...) Das tönt wie im Märchen, schon klar, darum habe ich nie etwas gesagt.»

... über Antidoping Schweiz:
«Diese Organisation hat unprofessionell gearbeitet. Es ging zu lange, bis das Ergebnis da war, als hätten Zweifel bestanden. Bei der Öffnung der B-Probe war ein Arbeiter dabei, der das zum ersten Mal machte – er konnte viele Fragen nicht beantworten. Als ich meine Tabletten und Nahrungsergänzungsmittel mitbrachte, hiess es, eine Analyse sei sinnlos. Später wurde dieses Unterlassen gegen mich verwendet. Und zuvor hatte ein ehemaliger Kontrolleur das Ergebnis in Umlauf gebracht. Man fand das heraus, im Protokoll aber wurde nichts festgehalten. Ich hätte den Mann anzeigen sollen.»

... über seine Familie:
«Es ist hart für meine Familie. Manchmal fühlte ich mich wie ein Aussätziger, wenn jeder hinter meinem Rücken redete. Ich war dermassen mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht realisierte, wie schlecht es meinen Liebsten ging. Wird das Wort Doping erwähnt, wirkt das wie ein Messerstich. Ich habe das unterschätzt, vor allem bei den Kindern, denen wurde das um die Ohren geschlagen in der Schule. Berührt hat mich das Verhalten meiner Frau: Bis heute hat sie nie gefragt, ob ich es getan habe.»

... über den Eidgenössischen Schwingerverband:
«Es ist skandalös, wie sich der Eidgenössische Schwingerverband verhalten hat. Der nun abgetretene Obmann Paul Vogel war ein Schönwetterpräsident. Neben den Königen stehen und lächeln, das konnte er. Aber gab es ein Problem, war er total überfordert, handelte ganz schwach. Bis heute hat weder der Zentralvorstand noch die Antidopingkommission des Schwingerverbandes mit mir gesprochen. Obwohl ich mehrmals um ein Gespräch gebeten habe.»

... über Doping im Schwingen allgemein:
«Die heile Welt gibt es nicht. Früher gab es keine Kontrollen, da nahmen einige Mittel zu sich, die nun verboten sind – zum ethischen Missbrauch stehen gewisse Schwinger auch. Mittlerweile ist viel Geld im Spiel, da wird Doping erst recht zum Thema.» (sme)

Dopingfälle im Schwingen

In der Geschichte des Schwingsports wurden vor Martin Grab 2018 schon mehrere «Böse» überführt. Der erste war 2001 der Toggenburger Beat Abderhalden, Bruder des dreifachen Schwingerkönigs Jörg Abderhalden. Sein zu hoher Testosteron-Wert brachte ihm eine 18-monatige Sperre ein. 2005 erwischte es den Berner Oberländer Thomas Wittwer wegen Clenbuterol (Anabolika) – zwei Jahre out. Einen weiteren Berner, Stefan Marti, nahm man 2012 für die verbotene Einnahme von Modafinil (Stimulans) für sechs Monate aus dem Verkehr. Das Mittel nahm er, weil er unter Narkolepsie litt. Mittlerweile hat er eine Ausnahmebewilligung für das Medikament.

Peter Bänziger aus Oberrindal SG dagegen wurde 2013 ein beschlagnahmtes Paket mit illegalen Substanzen zum Verhängnis – zwei Jahre Sperre. Kurz darauf erwischte es Spitzenschwinger Bruno Gisler, der für sechs Monate gesperrt wurde. Der Solothurner erklärte die Einnahme von Nikethamid mit einer Verwechslung: Er habe aus Versehen den Anti-Übelkeits-Spray seiner schwangeren Frau benutzt. (mag)

In der Geschichte des Schwingsports wurden vor Martin Grab 2018 schon mehrere «Böse» überführt. Der erste war 2001 der Toggenburger Beat Abderhalden, Bruder des dreifachen Schwingerkönigs Jörg Abderhalden. Sein zu hoher Testosteron-Wert brachte ihm eine 18-monatige Sperre ein. 2005 erwischte es den Berner Oberländer Thomas Wittwer wegen Clenbuterol (Anabolika) – zwei Jahre out. Einen weiteren Berner, Stefan Marti, nahm man 2012 für die verbotene Einnahme von Modafinil (Stimulans) für sechs Monate aus dem Verkehr. Das Mittel nahm er, weil er unter Narkolepsie litt. Mittlerweile hat er eine Ausnahmebewilligung für das Medikament.

Peter Bänziger aus Oberrindal SG dagegen wurde 2013 ein beschlagnahmtes Paket mit illegalen Substanzen zum Verhängnis – zwei Jahre Sperre. Kurz darauf erwischte es Spitzenschwinger Bruno Gisler, der für sechs Monate gesperrt wurde. Der Solothurner erklärte die Einnahme von Nikethamid mit einer Verwechslung: Er habe aus Versehen den Anti-Übelkeits-Spray seiner schwangeren Frau benutzt. (mag)

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