An einem Wochenende!
Dieser Meditations-Guru scheffelt Millionen

Lebensberater boomen. Joe Dispenza verdient mit 8000 Zuschauern in Basel mehrere Millionen – und hinterlässt mehr Fragen als Antworten.
Publiziert: 10.11.2023 um 11:23 Uhr
|
Aktualisiert: 15.01.2024 um 07:58 Uhr
Joe Dispenza zog 8100 Zuschauer in die St. Jakobshalle.
Foto: ZVG
1/4
carmen_schirm_gasser.jpg
Carmen Schirm
Handelszeitung

Die Hotellerie in Basel konnte sich freuen. Es wird das grösste Meditationsseminar, das es je gegeben hat, verkündete der Veranstalter Younity, der sich als «erwachsenes Startup» bezeichnet. Mit der «Aufgabe, Menschen zu helfen, ein erfülltes, erfolgreiches und friedvolles Leben zu führen». 8100 Zuhörer waren vergangenes Wochenende für den zweitägigen Event in die St. Jakobshalle in Basel geströmt, Menschen aus 57 Nationen. Es war ein einkommensstarkes, gebildetes Publikum, das Joe Dispenza live erleben wollte – in vorderster Reihe die deutsche Fernsehmoderatorin Katja Burkard.

In einer Zeit, wo jeder gestresst und überarbeitet ist, fällt es schwer, den Geist zur Ruhe zu bringen. Meditation spricht daher Menschen an. Joe Dispenza bewirtschaftet gekonnt eine Marktlücke. Denn der 61-Jährige kombiniert eine jahrtausendealte, fernöstliche Weisheit mit der Wissenschaft.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Im Frontalunterricht dozierte er stundenlang auf der Bühne über den Einfluss der Meditation auf das Gehirn, untermauert mit Erkenntnissen der Neurowissenschaft. Das ist nicht neu. Studien dazu gibt es zahlreiche. Das ist clever, denn der Amerikaner nimmt ein freies Gut und verkauft es teuer. Sehr teuer.

5 bis 6 Millionen Umsatz

Ein Ticket mit direkter Sicht auf den Vortragenden kostete 1000 Franken. 500 Franken berappte man für einen Seitensitz. Das spülte Einnahmen von 5 bis 6 Millionen Franken in die Kasse von Dispenza. Hinzu kommen noch die Merchandise-Verkäufe.

Es sei ihm und den Veranstaltern gegönnt, mag man sagen. Eine gut geölte Geldmaschine – weit weg von der Philosophie der ursprünglichen Lehrer, der Zen-Meister, dieses Wissen gratis zu vermitteln. Und auch weit weg von der Wissenschaft. Studien werden ohne Quellenangaben zitiert. Welche Universität? Welcher Forscher? Egal. Namen wie Newton, Einstein und Heisenberg werden häufig verwendet. Etwa zur Bestätigung von Dispenzas These, dass jeder Mensch Schöpfer seiner eigenen Zukunft werden kann, da jeder das Quantenfeld beeinflussen kann. Das dürften die Physiker wohl kaum gesagt haben.

Doktor Joe Dispenza, gelernter Chiropraktiker (ohne PhD), verkauft sich als Forscher der Epigenik, der Quantenphysik und der Neurowissenschaft. Fragen über seine Person, Herkunft oder Finanzen will er nicht beantworten, Interviewanfragen werden von seinem Management abgewimmelt.

Meditation, was passiert dabei? Das wurde einmal ein grosser Zen-Meister gefragt. «Gar nichts», antwortete dieser. Anders bei Dispenza. Er bat sechs «fortgeschrittene Schüler von ihm», wie er sie nennt, auf die Bühne. Die Zuschauer durften in der Folge bestaunen, wie die Schülerinnen begannen, derart heftig zu zucken, dass man meinte, sie hätten einen schweren spastischen Anfall. Sieht so Meditation im fortgeschrittenen Stadium aus?

Heilungsversprechen, die grenzwertig sind

Grenzwertig waren auch seine Heilversprechen. Dispenza erzählte von zahlreichen Fällen, bei denen es dank der Meditation zu Spontanheilungen gekommen sei. Blinde seien wieder sehend geworden, Krebskranke im Endstadium geheilt und Menschen im Rollstuhl hätten wieder gehen können. Beweise dafür? Medizinische Unterlagen, Quellenangaben? Die blieb er schuldig.

Auch an dem Event war eine grosse Anzahl an Kranken zugegen. Zahlreiche Menschen sassen im Rollstuhl. Sie waren vermutlich alle hoffnungsvoll. Sind dann Kranke, die nicht gesund werden, mithilfe von Meditation, selber schuld, und nicht mehr die Krankheit? Die Pharmaindustrie, die ebenfalls in Basel beheimatet ist, dürfte solche Aussagen auf jeden Fall nicht tätigen. Stichwort Heilmittelwerbegesetz. Homöopathie und Spagyrik sind gar dazu verpflichtet, jegliche Wirkungen beinahe im Konjunktiv zu beschreiben.

Was nach dem Event blieb, waren mehr Fragen als Antworten. Joe Dispenza hingegen tritt im Mai wieder in Basel auf, wie er bereits ankündigte. Logisch. Die Geldmaschine wird weiter geölt, solange sie Zugkraft hat.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.