Sergio Ermotti soll Bundesbern «zur Räson» bringen
Der Lieblings-Banker der SVP

Der neue, alte UBS-Chef steht bei der wählerstärksten Partei besonders hoch im Kurs. Doch zahlt sich das auch für sein XXL-Geldinstitut aus, wenn es in den kommenden Monaten um dessen Regulierung geht?
Publiziert: 02.04.2023 um 00:54 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2023 um 09:58 Uhr
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

In «The Wolf of Wall Street» verewigte Leonardo DiCaprio (48) das Bild vom geldgierigen, gewissenlosen Banker, der glaubt, dass ihm die Welt gehört. Auch in Zürich träumen einige Finanzplatz-Vertreter von einem filmreifen Luxusleben samt Prostituierten, Koks und fetten Schlitten. Mit Colm Kelleher (65) aber liefert die Schweiz nun das stilvollere Vorbild für einen Hollywoodstreifen: «The Fox of Paradeplatz».

Der Verwaltungsratspräsident der UBS brauchte nur zehn Tage, um nach der Jahrhundert-Übernahme der Credit Suisse einen neuen CEO zu präsentieren. Ohne mit der Wimper zu zucken, schickte er Ralph Hamers (56) zurück nach Holland und holte stattdessen den Tessiner Sergio Ermotti (62) – als alten und neuen Konzernchef. Staubtrockene Begründung Kellehers für den Wechsel: «Wir hatten das Gefühl, mit Sergio ein besseres Pferd zu haben.»

In Bern zeigen sich Polit-Schwergewichte von links bis rechts beeindruckt von Kellehers entschlossenem Handeln. Aber auch davon, welche Ruhe der irische Wall-Street-Veteran ausstrahlt, der einst Geschichtsprofessor werden wollte. Für einmal sind sich alle einig: Ermotti ist eine gute Wahl für die Zusammenlegung der beiden Grossbanken – im «Kampf zwischen Bern und der 5-Billionen-Bank», den SonntagsBlick vor einer Woche beschrieb, ist die Ernennung gar ein genialer Schachzug.

Der alte und neue UBS-CEO Sergio Ermotti mit seinem Vorgänger Ralph Hamers und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher (v.l.n.r.).
Foto: keystone-sda.ch
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Parteiübergreifende Einigkeit

«Mit der Nominierung Ermottis zeigt Kelleher, dass er die grossen Bedenken der Schweizer Politik in Bezug auf die neue XXL-Bank ernst nimmt», sagt ein hochrangiger Mitte-Politiker. Ein federführender Sozialdemokrat pflichtet bei und meint: «Kelleher hat offensichtlich erkannt, dass die grösste Gefahr für die neue UBS aus der Schweiz kommt.»

Der Topbanker kann nicht ignorieren, was die Übernahme der CS in Bundesbern ausgelöst hat: SP und Grüne rufen nach einem engen Korsett für die einzig verbliebene Grossbank, auch die Bürgerlichen überbieten sich mit Ideen, wie die neue Megabank gezähmt werden könnte.

FDP-Präsident Thierry Burkart (47) sorgte mit der Forderung für Furore, die UBS müsse den CS-Inlandsbereich als eigenständige Bank weiterführen. Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) gab im Interview mit SonntagsBlick bekannt, dass er nun eine Eigenkapitalquote von 20 Prozent befürworte.

Alte Idee wieder aktuell

Die SVP wiederum brachte in einer Mitteilung gar ein Trennbankensystem aufs Tapet, also die Abspaltung des risikoreichen Investmentbankings vom übrigen Bankgeschäft.

Diese Forderung ist nicht neu. Bereits im Nachgang der Finanzkrise 2008, als der Bund die UBS retten musste, pochte die SVP – im Einklang mit SP und Grünen – auf Loslösung des Investmentbankings von systemrelevanten Funktionen. Im Nationalrat fanden diese Bestrebungen auch eine Mehrheit. Im Ständerat jedoch verhinderte die Übermacht von CVP und FDP entsprechende Vorschriften.

Nun muss die UBS erneut eine «unheilige Allianz» zwischen Linken und SVP befürchten. Mit Ermotti ist diese Gefahr zwar nicht gebannt, der hervorragend vernetzte Topbanker dürfte die Wahrscheinlichkeit weitgehender Vorschriften aber zumindest verringern.

Mit der SVP befreundet

Ein Mitglied des SP-Präsidiums ist überzeugt: «Ermotti soll die Bürgerlichen zur Räson bringen.» Ein Vorstandsmitglied der FDP wiederum erkennt in Kelleher einen «gewieften Taktikfuchs» und vermutet, dass der neue CEO ein neues Rechts-links-Bündnis in Fragen der Bankenregulierung verhindern soll: «Ermotti hat bekanntlich einen sehr guten Draht zur SVP.»

Die SVP-Nähe des neuen und alten UBS-Chefs ist kein Hirngespinst des politischen Gegners, sondern gut dokumentiert. Der neoliberale Financier Tito Tettamanti (92) schwärmte schon 2011, als Ermotti erstmals an die UBS-Spitze beordert wurde, dass sein Kantonskollege «ein Kapitalist mit dem Herzen am richtigen Fleck» sei.

Tettamanti war es auch, der die «Weltwoche» an ihren jetzigen Besitzer Roger Köppel (58) verkaufte. Dieser steht Ermotti ebenfalls nahe, wie das Buch «In Badehosen nach Stalingrad» des Journalisten Daniel Ryser offenbart. Darin schildert der Autor, wie Köppels Smartphone klingelt und auf dem Display der Name «Sergio Ermotti» erscheint. Köppel sei aufgestanden und habe gesagt: «Hey, ciao, wie gehts dir?»

Köppels Lieblingsbanker

Auch publizistisch machte der SVP-Vordenker nie einen Hehl daraus, dass Ermotti sein Lieblingsbanker ist. Im Sommer 2017 – vor den Bundesratswahlen, die Ignazio Cassis (61) in die Landesregierung brachten – forderte seine «Weltwoche» auf der Titelseite: «Sergio Ermotti in den Bundesrat».

Mit Unternehmer Peter Spuhler (64) steht Ermotti ebenfalls auf Du und Du. Ende 2018 stellten sich die beiden in der «Handelszeitung» einem Streitgespräch, in dem es allerdings kaum zu Meinungsverschiedenheiten kam. Stattdessen wurden Höflichkeiten ausgetauscht und Ermotti sagte, an den Ex-SVP-Nationalrat gewandt: «Ich bedaure es natürlich, dass jemand wie Peter mit seiner Erfahrung nicht im Ständerat sitzt.»

Trotz alledem will Ermotti nichts von einer «Nähe zur SVP» wissen. Als er 2021 von der «Schweiz am Wochenende» darauf angesprochen wurde, antwortete er: «Ich bin parteilos, liberal und habe durchaus auch eine soziale Ader.» Es gebe zwar Themen, bei denen er der SVP-Meinung zustimmen könne. «Es kann aber auch vorkommen, dass ich mit den Sozialisten einig bin, zum Beispiel bei gesellschaftlichen Fragen.»

Die SVP bestreitet ihrerseits eine spezielle Beziehung zum wichtigsten Banker des Landes: «Dass Ermotti besonders SVP-nah ist, sehe ich nicht so», sagt der Zürcher Nationalrat Thomas Matter (57) zu SonntagsBlick. Der Bankunternehmer ist der Meinung, dass sich mit der FDP oder der Mitte «mindestens so viele Berührungspunkte» fänden.

Tatsache ist jedoch: Matter kennt Ermotti so lange wie kaum jemand sonst in Bundesbern. Vor 30 Jahren, als die beiden bei Merrill Lynch in London arbeiteten, war der neue UBS-Boss gar sein Chef. Später holte ihn Ermotti nach Zürich.

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SVP will sich nicht beeinflussen lassen

Dennoch wehrt sich Matter gegen den Verdacht, die SVP könnte sich von Ermotti beeinflussen lassen. «Dass man sich kennt, bedeutet noch lange nicht, dass wir immer einer Meinung sind», betont er. Ob mit oder ohne Ermotti als UBS-CEO halte die SVP an ihrer Forderung fest: «Wir müssen eine Lösung finden, dass jede Bank in Konkurs gehen kann, ohne dass der Staat eingreifen muss.»

Dazu gebe es verschiedene Möglichkeiten, etwa ein Trennbankensystem oder die Einschränkung des Eigenhandels. «Wir müssen nun alle Optionen anschauen und prüfen», so Matter.

Wie ernst er das meint, unterstreicht der Finanzplatz-Vertreter mit folgender Aussage: «Sollte eine Bank nicht bereit sein, ihre Grösse der Schweizer Volkswirtschaft anzupassen, muss sie sich wohl oder übel überlegen, ob eine Sitzverlegung in ein grösseres Land Sinn machen würde.»

Es sind Worte, an denen die wählerstärkste Partei des Landes in den kommenden Monaten gemessen wird. Und die UBS-Führungsetage dürfte solche Aussagen nicht gerne hören. Die Verantwortlichen der neuen Megabank werden vielmehr alles versuchen, um die SVP – und auch die anderen Parteien – doch noch von ihren Regulierungsplänen abzubringen.

SonntagsBlick weiss: Schon in den vergangenen Tagen kontaktierten ranghohe UBS-Vertreter die Präsidenten der bürgerlichen Parteien, um sie «zur Räson» zu bringen. In Kürze dürfte das eine oder andere Abendessen mit Sergio Ermotti dazukommen.

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