Nach Läderach-Dok
Über 60 Schulen in der Schweiz sind religiös ausgerichtet

An einer von Jürg Läderach gegründeten evangelikalen Schule wurden Kinder über Jahre gezüchtigt und eingeschüchtert. Was für alternative Schulen gibt es noch, und welche Rolle spielen religiös ausgerichtete Institutionen in der Privatschullandschaft?
Publiziert: 27.09.2023 um 00:09 Uhr
|
Aktualisiert: 27.09.2023 um 10:20 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_336.JPG
Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Der Dok-Film von SRF «Die Evangelikale Welt» über ein Klima der Angst und Gewalt an der privaten Schule Domino Servite in Kaltbrunn SG bereitet nicht nur den Nachkommen von Gründer Jürg Läderach und ihrer Schoggi-Marke Probleme, sondern rückt Privatschulen generell in den Fokus.

Die Privatschullandschaft in der Schweiz ist stark gewachsen. Laut Bundesamt für Statistik nahm die Zahl der privat beschulten Kinder auf Primarstufe ab 2011 innerhalb von weniger als zehn Jahren um 30 Prozent zu. Seit der Pandemie hinzugekommen seien einige Schulen aus dem massnahmekritischen Milieu, sagt Georg Otto Schmid (57), Leiter von Relinfo, der Evangelischen Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen.

2021/2022 gab es in der Schweiz 9427 Bildungsinstitutionen der obligatorischen Schulzeit. Zehn Prozent von ihnen waren privat, also etwa 950.

An der Privatschule Domino Servite, heute Christliche Schule Linth in Kaltbrunn SG wurden Kinder während vieler Jahre geschlagen.
Foto: keystone-sda.ch
1/6

Privatschulen sind teuer

Privatschulen finanzieren sich über direkte Schulgelder (oft bezahlen Eltern 10’000 bis 20’000 Franken im Jahr), über Spenden und teils mit Beteiligung der öffentlichen Hand.

Oft steht der Wunsch nach einer anderen Pädagogik, nach mehr Freiräumen und mehr Individualität bei den Überlegungen im Vordergrund, das Kind in eine alternative Schule zu schicken. Alle Schulen müssen den Lehrplan 21 einhalten.

Im Fall der christlichen Schulen kommt noch eine andere Dimension hinzu: Eltern wollen, dass ihr Kind in der Schule dieselbe christliche Weltanschauung lernt, die zu Hause wichtig ist. In der öffentlichen Schule fänden sie diese immer weniger, sagt Markus Zuberbühler (57), Geschäftsführer des Schulnetzwerks Initiative für Christliche Bildung (ICB): «Die öffentliche Schule sagt, sie sei neutral. Damit bringt sie aber zum Ausdruck, dass Glaube nicht relevant ist. Neutral ist das nicht».

Gründungen von christlichen Schulen

Eine Antwort auf die immer stärker säkularisierte Gesellschaft sind evangelikale Privatschulen, die seit dem Ende des 20. Jahrhunderts zahlenmässig zunehmen.

Gemessen an der Gesamtzahl der Privatschulen in der Schweiz machen die religiös ausgerichteten einen geringen Anteil aus: Dem Dachverband der auf christlicher Basis geführten Schulen in der Deutschschweiz ICB gehören 14 Schulen mit insgesamt 750 bis 800 Kindern an. Vier weitere Schulen, darunter jene aus dem SRF-Dok, die heute Christliche Schule Linth heisst, gehören nicht zum Netzwerk. «Es gab bislang nie Gespräche mit der Christlichen Schule Linth über einen möglichen Beitritt zu unserem Netzwerk», sagt Zuberbühler.

Der Verein ICB dient als Vernetzungs- und Unterstützungsplattform unter christlichen Schulen. Der Schwesterverein in der welschen Schweiz zählt 12 Schulen. Katholische Institutionen gibt es etwa 35, sie sind stärker auf die Sekundarstufe II ausgerichtet und haben teils eine lange Tradition wie die Stiftsschulen Einsiedeln und Engelberg oder das Theresianum Ingenbohl. Auch andere Glaubensgemeinschaften haben eigene Schulen, so gibt es verschiedene jüdische Schulen und eine konservativ-hinduistische Schule der Hare-Krishna-Bewegung in Langenthal BE. Die Liste ist nicht abschliessend.

Manche Kinder besuchen gar keine Schule: «Viele Eltern unterrichten ihre Kinder aus weltanschaulichen Gründen zu Hause», sagt Georg Otto Schmid. «Wenn noch ein paar weitere Kinder dazu kommen, kann der Übergang von Homeschooling zu Schule fliessend sein.»

«Mir ist es wichtig, dass wir über Probleme sprechen»
1:50
Leiter verspricht Besserung:«Mir ist es wichtig, dass wir über Probleme sprechen»

Direkte Verbindung zur Freikirche

Die im Dok-Film beleuchtete Institution Domino Servite wurde 1995 als Schule einer theologisch-konservativen Freikirche gegründet und gehört weiterhin zur Glaubensgemeinschaft. Dies sei atypisch für die christlichen Schulen in der Schweiz, sagt Markus Zuberbühler. Hinter anderen christlichen Schulen stünden in den meisten Fällen entweder Eltern oder Lehrpersonen, aber nicht die Freikirchen selbst.

Ein Unterschied, den Religionskenner Georg Otto Schmid so nicht machen würde: «Es gibt auch andere Schulen, die sehr nah an einer Glaubensgemeinschaft sind, etwa jene der Stiftung SalZH im Kanton Zürich.» Und eine losere Verbindung zu einer Kirche bedeute nicht, dass die Schule damit automatisch offener sei.

Werden Privatschulen kontrolliert?

Privatschulen müssen vor der Gründung ein kantonales Bewilligungsverfahren durchlaufen. Neben pädagogischen Angaben müssen sie auch Auskunft erteilen über die konfessionelle oder weltanschauliche Ausrichtung sowie unter anderem über die Verbindungen von zentralen Akteuren zu ideellen Vereinigungen.

Auch die Aufsicht über die Privatschulen liegt in der Verantwortung der Kantone. Eine jährliche Berichterstattung ist üblich.

Im Kanton St. Gallen, in dessen Gebiet die Christliche Schule Linth (früher: Domino Servite) liegt, geht die Schulaufsicht seit 2016 standardisiert nach konzeptionellen Grundlagen vor: Auf Anfrage schreibt eine Stabsmitarbeiterin des Bildungsdepartements, die Aufsicht über die Privatschulen im Kanton St. Gallen habe zum Ziel, ein möglichst umfassendes und aktuelles Bild der Schule und des Unterrichts zu erhalten.

Elemente der Aufsicht können sein: Besuche in der Schule und im Unterricht (auch unangemeldet), Gespräche mit Schulleitung, Trägerschaft, Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern, die Analyse von Dokumenten und Berichten, wie auch die Teilnahme an Schulveranstaltungen.

Ist es damit möglich, ein allfälliges «Klima der Angst», von dem ehemalige Schülerinnen und Schüler der Schule Domino Servite berichten, zu entdecken? «Bei Ungereimtheiten wird die Schule engmaschiger geprüft. Eine 100-prozentige Garantie gibt es aber nicht», heisst es vom Bildungsdepartement.

Privatschulen müssen vor der Gründung ein kantonales Bewilligungsverfahren durchlaufen. Neben pädagogischen Angaben müssen sie auch Auskunft erteilen über die konfessionelle oder weltanschauliche Ausrichtung sowie unter anderem über die Verbindungen von zentralen Akteuren zu ideellen Vereinigungen.

Auch die Aufsicht über die Privatschulen liegt in der Verantwortung der Kantone. Eine jährliche Berichterstattung ist üblich.

Im Kanton St. Gallen, in dessen Gebiet die Christliche Schule Linth (früher: Domino Servite) liegt, geht die Schulaufsicht seit 2016 standardisiert nach konzeptionellen Grundlagen vor: Auf Anfrage schreibt eine Stabsmitarbeiterin des Bildungsdepartements, die Aufsicht über die Privatschulen im Kanton St. Gallen habe zum Ziel, ein möglichst umfassendes und aktuelles Bild der Schule und des Unterrichts zu erhalten.

Elemente der Aufsicht können sein: Besuche in der Schule und im Unterricht (auch unangemeldet), Gespräche mit Schulleitung, Trägerschaft, Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern, die Analyse von Dokumenten und Berichten, wie auch die Teilnahme an Schulveranstaltungen.

Ist es damit möglich, ein allfälliges «Klima der Angst», von dem ehemalige Schülerinnen und Schüler der Schule Domino Servite berichten, zu entdecken? «Bei Ungereimtheiten wird die Schule engmaschiger geprüft. Eine 100-prozentige Garantie gibt es aber nicht», heisst es vom Bildungsdepartement.

Mehr

Privatschulen werden von den Kantonen bewilligt und beaufsichtigt. Kontrolle gibt es aber auch von innerhalb der Schulen: «Aufgrund all der Geschichten aus der katholischen Kirche scheinen Christen unter Generalverdacht zu stehen», sagt Markus Zuberbühler.

Deshalb hat die Schweizerische Evangelische Allianz eine Charta erarbeitet, die sich von Gewalt und geistlicher Manipulation abgrenzt. Die ICB ist Teil dieses Netzwerks «Gemeinsam gegen Grenzverletzungen». Zu den Auflagen gehört unter anderem, dass jede Schule über ein Kinderschutzprogramm verfügt.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?