YB-Stürmer Joël Monteiro: Von der 2. Liga zur EM-Hoffnung der Nation
«Ich will Yakin zeigen, dass er sich nicht geirrt hat»

Vor vier Jahren spielt Joël Monteiro in der 2. Liga. Letzte Saison ist er Edeljoker bei YB. Kein Jahr später ist er Hoffnungsträger einer ganzen Nation. Vielleicht sogar als Embolo-Ersatz. Wie geht der Walliser damit um?
Publiziert: 28.05.2024 um 13:01 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2024 um 16:14 Uhr
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Alain KunzReporter Fussball

Als Joël Monteiro (24) mit YB in die neue Saison startet, hat er ein persönliches Ziel: Endlich Stammspieler werden. Noch in der ersten Spielzeit unter seinem Walliser «Landsmann» Raphael Wicky ist Monteiro Joker. Gerade sieben Mal darf er von Beginn weg ran. 21-mal kommt er von der Bank. Ein einziges Törchen gelingt ihm in der Meisterschaft.

Das Jahr zuvor war eine Seuchensaison gewesen mit zwei schweren Verletzungen und nur einem Einsatz in der Startelf.

Yakin bringt das Thema Monteiro aufs Tapet

Doch 2023/24 ist die Saison von Joël Monteiro! Bei 24 seiner 34 Einsätze steht er zu Beginn auf dem Platz. Dreimal auch in der Champions League. Es gelingen ihm zwölf Tore. Womit er YB-Topskorer ist. In den acht Super-League-Spielen von März bis Mai bucht er gleich sechsmal, bevor er sich am 5. Mai an den Bändern des rechten Sprunggelenks verletzt.

Joël Monteiro gibt vom ersten Nati-Training an Vollgas. Hier gibts kein Durchkommen für Nico Elvedi.
Foto: TOTO MARTI
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Plötzlich ist die Nationalmannschaft ein Thema. Und das wird nicht von aussen hineingetragen. Niemand schreit nach dem Portugiesen, der erst im Einbürgerungsverfahren steckt. Es ist vielmehr Trainer Murat Yakin, der den Namen Monteiro aufs Tapet bringt. «Wir bemühen uns um die Einbürgerung. Denn er ist für uns sehr interessant, mit seiner Schnelligkeit und seiner Torgefährlichkeit. Für den Sommer ist er sicherlich ein Thema», sagt der Coach im März. Monteiro – der Mann aus dem Nichts!

Es fehlt bloss noch der Schweizerpass

Mittlerweile ist alles im Lot. «Ich bin eingebürgert worden. Nun brauche ich bloss noch den Pass», sagt Monteiro. Er ist auch aufgeboten worden für das Nati-Casting mit 38 Spielern. Und er hat sich von seiner Knöchelverletzung derart schnell erholt, dass er zum Saisonschluss gegen Winterthur bereits wieder im Kader stand. Zum Einsatz kam er noch nicht.

Doch nun hat er Zeit, den Rhythmus wieder zu finden und allenfalls die Rolle zu spielen, die ihm Yakin zutraut: Breel Embolo zu ersetzen, sollte dieser bis zum ersten Spiel nicht wieder fit sein. Kann er das? «Ich habe mir diese Frage bisher nicht gestellt. Klar ist, dass ich einrücke, um mich zu beweisen. Mir selber. Und dem Trainer, um ihm zu zeigen, dass er sich mit dem Aufgebot nicht geirrt hat. Ich werde sicher bereit sein. Zu hundert Prozent! Egal, ob ich von Beginn spiele oder auf der Bank starte.»

Hoffnungsträger der Nation? Grosse Worte!

Nichtsdestotrotz steht das Ziel, von Beginn weg zu spielen. «Ich bin nun im Team. Und als Wettkämpfer kann ich doch nicht zum Ziel haben, auf der Bank zu sitzen. Aber klar ist auch: Ich muss mit Taten überzeugen.» Und dies, nachdem er vor ein paar Monaten noch absolut kein Thema war – und nun zum Hoffnungsträger einer ganzen Nation mutiert ist.

«Das sind grosse Worte», sagt der Lange (1,91 Meter). «Auch ich konnte mir das, was jetzt passiert, natürlich nicht ausmalen. Aber ich nehme es natürlich sehr gerne an.» Derart, dass SRF-Experte Beni Huggel unlängst sagte, Monteiro könne zu einer grossen EM-Überraschung werden. «Ich hoffe, dass er recht hat. Ich bin jedenfalls zuversichtlich.»

Bei YB spielte er zuletzt im Couloir. Yakin sieht ihn ganz vorne. «Kein Problem. Ich spiele ja erstmals regelmässig auf der Seite, ich bin gelernter Stossstürmer. Das habe ich nicht verlernt», sagt er – und schmunzelt, hinzufügend, dass er beides gleich gerne spiele.

Effizienter als Bellingham

In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit gerät Joël Monteiro diese Saison, als er in einer Statistik des International Centre for Sports Studies als effizientester Stürmer aus 74 untersuchten Top-Ligen ausgemacht wird. 30,8 Prozent seiner Abschlüsse landeten im Tor. Das war noch besser als jener von Real-Star Jude Bellingham (28,3). Monteiros selbstkritischer Kommentar: «Es kann natürlich auch heissen, dass ich zu wenig Risiko nehme… Nein, diese Zahl ist schon sehr positiv. Denn vor allem bedeutet sie, dass ich oft Erfolg habe, wenn ich in den Abschluss gehe.» So gelingen ihm zwölf Tore. Für den Titel des Torschützenkönigs hätte er bloss zwei Tore mehr gebraucht. Ohne die Knöchelverletzung hätte er sie womöglich geholt. (A.Ku.)

In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit gerät Joël Monteiro diese Saison, als er in einer Statistik des International Centre for Sports Studies als effizientester Stürmer aus 74 untersuchten Top-Ligen ausgemacht wird. 30,8 Prozent seiner Abschlüsse landeten im Tor. Das war noch besser als jener von Real-Star Jude Bellingham (28,3). Monteiros selbstkritischer Kommentar: «Es kann natürlich auch heissen, dass ich zu wenig Risiko nehme… Nein, diese Zahl ist schon sehr positiv. Denn vor allem bedeutet sie, dass ich oft Erfolg habe, wenn ich in den Abschluss gehe.» So gelingen ihm zwölf Tore. Für den Titel des Torschützenkönigs hätte er bloss zwei Tore mehr gebraucht. Ohne die Knöchelverletzung hätte er sie womöglich geholt. (A.Ku.)

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Schub nach einer Blutarmut-Behandlung

Monteiros Weg nach oben war nicht linear. Nach der U18 des FC Sion landet er bei Azzurri LS in der 1. Liga, wo er bei 22 Einsätzen nur sechsmal in der Startelf steht. Weder in Sions U21 noch bei Martigny hatten sie ihn gewollt. Und der Fall wird noch tiefer, in die 2. Liga runter, zum FC Conthey, wo ihm immerhin sieben Tore gelingen. Dachte er, der Traum vom Profi-Fussball sei damit geplatzt? «Nein, natürlich lebte der Traum noch. Das mag zwar aus heutiger Sicht komisch klingen. Doch hätte ich ihn platzen lassen, wäre er niemals Realität geworden. So schob ich unzählige Einzelschichten neben dem Teamtraining. Ohne je an diesem Traum zu zweifeln.»

Zudem macht ihn sein Bruder Elton, damals Verteidiger bei Lausanne, darauf aufmerksam, dass bei ihm im Alter von 15 Jahren Blutarmut festgestellt worden sei und er erst dann richtig kompetitiv wurde, nachdem er diese habe behandeln lassen. Joël macht das auch. Und es hilft! Er kommt ins Team Vaud U21, wo er dem damaligen Lausanne-Trainer Giorgio Contini schnell einmal auffällt. Vier Super-League-Spiele darf er bestreiten. Weil er aber nicht verlängern will, wird er aufs Abstellgleis gesetzt. Doch diese vier Spiele reichen, um in den Fokus von YB und Chefscout Stéphane Chapuisat, dem Lausanner, zu kommen. So wechselt er im März 2021 nach Bern.

Apropos Contini: heute Assistent von Yakin – hier schliesst sich der Kreis …

Der Fernandes-Clan wacht über die Monteiros

Aufgewachsen ist Monteiro in Sion, im Champsec-Quartier. Einst das Quartier der Unterschicht. Heute leben dort Menschen aller Schichten in der Multikulti-Stadt Sion, mit einem Ausländeranteil von 40 Prozent. Die Nummer eins: Portugal mit zehn Prozent. Wie die Monteiros, die im selben Quartier wie die Fernandes’ aufwachsen, den Familien von Gelson und Edimilson, die allesamt von den Kapverden kommen. «Es ist ein Fussballer-Quartier», sagt Monteiro. Noch heute hat er viele Kumpels dort.

Als gebürtiger Sittener ist Monteiro sicher, die Walliser DNA in sich zu tragen: «Walliser sind Arbeiter, wie ich. Und ich habe als richtiger Walliser einen dicken Schädel. Wir lassen uns nicht alles gefallen.» Diese Mentalität bestätigt auch Chappi: «Joël hatte das, was wir suchten: Die Mentalität, arbeiten zu wollen, sich stets zu verbessern.»

In Kombination mit den portugiesischen Wurzeln – denn auch Portugiesen gelten als Malocher – ergibt das den perfekten Mix, um Karriere zu machen. Und wenn dann noch der Manitou des Fernandes-Clans über allen wacht, Gelson, der frühere Mittelfeld-Chrampfer, der eine grosse Karriere gemacht hat, einzig dank seiner übergrossen Mentalität, und heute Direktor für die Afrikaverbände der Fifa ist, dann kanns ja nur gut kommen. Gelson ist ein Cousin von Joël. «Klar habe ich mit ihm regelmässig Kontakt», sagt der YB-Stürmer. «Er ist unser aller Vorbild. Er hat den Weg gewiesen.» Und er hoffe, dass Gelson stolz auf ihn sei. Wird er sein, ganz bestimmt.

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